Die Lüge mit dem langen Schwanz

Arabiata: US-Container für philippinische Büglerinnen in der jordanischen Wüste

Jetzt müssen sie nicht mehr kochen oder Kinder hüten, sondern nur noch putzen

„Ich muss bügeln!“ Mit zerzaustem Haar und wirrem Blick stand meine Bekannte im Türrahmen ihres Hauses in Amman und stammelte: „Ja, selbst bügeln muss ich! Meine Philippina ist in die Wüste gegangen zu den Amerikanern.“

Seither ist das am besten gehütete Staatsgeheimnis des Königreichs Jordanien auch für mich keines mehr: Es gibt in der Wüste des Landes kämpfende US-Soldaten – wider alle Behauptungen jordanischer Politiker. Ja, hatten sie Wochen lang zugegeben, ein paar amerikanische Spezialisten seien schon im Ländle, aber das sei lediglich technisches Personal. Mehr könne man sich nämlich nicht leisten; dazu sei die innenpolitische Lage viel zu schief. Zwar unterhalte man freundschaftliche Beziehungen zu den USA. Aber die Bevölkerung Jordaniens bestehe mindestens zur Hälfte aus Palästinensern, die eher US-feindlich seien. Unter diesen Bedingungen eine jordanische Kollaboration mit US-Soldaten, die gegen ein arabisches Brudervolk zogen? Unmöglich! Das könnte Konsequenzen haben: Unruhen, Aufstände, Revolutionen, königliche Purzelbäume.

Die jordanischen Politiker beblumen ihre delikate Situation gern als „Sandwich-Position“. Damit erklären sie sich selbst zum leckeren Belag, während sie die USA sowie Israel einerseits und die Palästinenser andererseits zu Brotscheiben machen. Dabei ist es wohl eher umgekehrt; Jordanien ist jedenfalls beim selbst gewählten Stullenvergleich ein trockener Kanten in der Mitte – von beiden Seiten belegt mit Schinken, Käse, Tomaten und bekleckst mit Saucen.

Bei jeder Gelegenheit, die sich ihnen bietet, wiederholen Jordaniens Großkopferte ihre Worte „zur schwierige Situation des Landes“ und beteuern und wiederholen und beteuern und wiederholen und … – „Varianz, Redundanz, Affentanz / ’ne Lüge mit ’nem langen Schwanz!“, meinen viele Einwohner Jordaniens. Sie schwören Stein und Bein, dass sie US-Kämpfer gesehen hätten; andere erklären, sie arbeiteten für sie.

Wochen lang seien in Amman beispielsweise US-Soldaten in Zivilkleidung unterwegs gewesen, um alle Geländewagen, deren sie habhaft werden konnten, zu mieten oder zu kaufen. Wie viel sie für die Autos zu zahlen hätten, sei ihnen, das bestätigen gleichermaßen Pkw-Händler und Leihwagenfirmen, völlig egal gewesen. Hauptsache, man habe genügend fahrbare Untersätze für den Irak zusammenbekommen.

Ein Mann, der auf einer Ladung Holz zu verrotten drohte, berichtet, er habe seine Ware urplötzlich an glühend interessierte US-Händler verkaufen können. Sie brauchten das Holz, um Stangen für die Zelte in der Wüste herstellen zu lassen von jordanischen Handwerkern. Die Gastronomiebranche durfte sich ebenfalls freuen. Sie versorgte mit Catering-Diensten nachrückende US-Einheiten. Und wer wurde für die Reinigungsarbeit nach den Gelagen in den Zeltlagern auserkoren? Freundliche Frauen von den Philippinen. Zehntausende hatten schon lange vor dem Krieg die Häuser besser verdienender Jordanier sauber gehalten, für sie gebügelt, gekocht und ihre Kinder betuttelt. Dann, im Zuge der Kriegsvorbereitungen, wurden hunderte dieser zehntausenden von den US-Streitkräften abgeworben.

Wie jene Bekannte, die seit neuestem wieder selbst bügeln muss, fassungslos zu berichten weiß, nennt „ihre Philippina“ mittlerweile einen Container in der Wüste ihr Zuhause – zusammen mit fünf Kolleginnen. Dafür habe sie einen Zwölfjahresvertrag, der ihr vergleichsweise viel Geld garantiere. Und das sei auch noch – sozusagen – elfmal so viel wert, weil sie die Dollars lediglich einmal im Jahr ausgeben könne, nämlich wenn sie ihren jährlichen von den USA bezahlten Heimflug antrete. Außerdem müsse sie nicht mehr kochen oder Kinder hüten, sondern nur noch putzen. Dass manchmal auch noch andere Dienste verlangt werden könnten, die bisweilen zu neuen Kindern führen … – das, so heißt es telefonisch aus dem Real-Big-Brother-Container in der jordanischen Wüste, liege sicher im Bereich des Möglichen, sei aber strengstens verboten. Die ersten Frauen sollen allerdings schon des Landes verwiesen worden sein; wegen Zuwiderhandlung ging’s zurück auf die Philippinen.

Immerhin nicht in den Irak, mag manch einer marattern. Das wäre ja auch keine Strafe, halten US-Kreise dagegen. Gemeint sein dürfte damit, dass philippinische Putzfrauen angeblich nicht mehr nur aus Amman in Richtung jordanische Wüste abgeworben werden, sondern auch in den Irak. Geboten würden ihnen dafür, gerüchtelt es aus dem Little-Sister-Wüstencontainer, ebenfalls Verträge mit einer Laufzeit von zwölf Jahren. Hieße im Klartext, dass die US-amerikanische Regierung damit rechnet, zwölf Jahre im Irak zu bleiben – und zwölf Jahre in Jordanien. Aber das wird schon keiner merken. BJÖRN BLASCHKE