Hamid Karsai ruft die Investoren

Afghanistan-Konferenzen in Berlin im Zeichen von Wirtschaft und Zivilgesellschaft: Präsident Karsai verspricht blühende Landschaften ohne Schlafmohn, gesellschaftliche Gruppen fordern vor Wahlen mehr Entwaffnung und politische Bildung

AUS BERLIN SVEN HANSEN

„Weniger Regierung, mehr Gesellschaft, mehr Handel.“ Auf diese Formel hat Afghanistans Präsident Hamid Karsai gestern in Berlin seine Vision für seine Heimat gebracht. Vor 250 Wirtschaftsvertretern warb Karsai auf einer Konferenz des Bundesverbandes des Deutschen Industrie (BDI) und der Weltbank für Investitionen am Hindukusch. Dabei stellte der weltgewandte einstige Stammesführer mit seinem Kommunikationstalent den drögen BDI-Chef Michael Rogowski und eine konfuse Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul locker in den Schatten.

Karsai redete allerdings weniger über das Afghanistan von heute als vielmehr über eine Traumwelt. Doch das kam an. „Wir wollen nicht arm bleiben, wir wollen reich werden“, sagte er unter Beifall. Er erinnerte an die Handelstradition seines an der Seidenstraße gelegenen Landes, an die er anknüpfen wolle. Afghanistans Wirtschaft sei 2002 um 30 und 2003 um 20 Prozent gewachsen, weitere 9 Prozent pro Jahr erwarte er für die nächste Dekade. Probleme sah Karsai bei Bürokratie und Korruption, doch sei sein Land für Investoren in allen Sektoren offen. „Kommen Sie nach Afghanistan, verdienen Sie Geld, nehmen Sie es mit nach Hause, aber lassen Sie auch was da.“

Gegenüber Journalisten räumte Karsai später auch Fehler bei der Drogenbekämpfung ein, vermied allerdings, konkret zu werden. Die Bekämpfung der Opiumproduktion und des Drogenhandels wird bei der heute in Berlin beginnenden Afghanistan-Außenministerkonferenz ein wichtiges Thema. Zwei Abkommen sollen unterzeichnet werden: ein afghanisch-britischer Drogenbekämpfungsplan und ein Abkommen Afghanistans mit seinen sechs Nachbarländern über verschärfte Grenzkontrollen und eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Drogenbekämpfung.

Den Einsatz internationaler Soldaten zur Bekämpfung des Drogenanbaus in Afghanistan forderten gestern Vertreter auf einer ebenfalls in Berlin tagenden afghanischen Zivilgesellschaftskonferenz. Dies könne nicht der bisher viel zu schwachen afghanischen Armee und Polizei allein überlassen werden, hieß es aus Teilnehmerkreisen.

Die Konferenz von Menschenrechtlern, religiösen Führern, Stammesvertretern, Nachwuchspolitikern und Frauenaktivistinnen wollte noch gestern Abend Empfehlungen vorlegen, die heute bei der Regierungskonferenz vorgebracht werden sollen. Als Schlüsselfaktor werde die Entwaffnung der Milizen gesehen, sagte Almut Wieland-Karimi von der Friedrich-Ebert-Stiftung, die das Treffen mit organisiert. Die Konferenz unterstütze die von Karsai verkündete Verschiebung der Wahlen, fordert aber statt eines festen Datums vielmehr die Erfüllung konkreter Bedingungen wie eine Registrierung von mindestens 70 Prozent aller Wahlberechtigten. Auch seien mehr Aufklärung und politische Bildung nötig, wozu auch zivilgesellschaftliche Gruppen beitragen könnten.