Engel an Weihnachten zu Hause

Elf der 14 Hells Angels, die wegen einem brutalen Überfall auf fünf Konkurrenten vor Gericht standen, kommen mit Bewährungsstrafen davon. Die anderen drei müssen wegen Vorstrafen ins Gefängnis

VON JÜRGEN VOGES

Mit Haftstrafen ohne Bewährung für drei der 14 angeklagten Hells Angels ist in Hannover der Prozess um den so genannten Bremer Rockerkrieg zu Ende gegangen. Für den brutalen Überfall auf fünf Konkurrenten von den Bandidos verhängte das Gericht gestern gegen die anderen Angeklagten Bewährungsstrafen. Dem gingen ein Deal der Prozessbeteiligten und eine sehr kurze Beweisaufnahme voraus.

Nachdem der Kammervorsitzende Jürgen Seifert den zwischen erstem und zweitem Prozesstag im Hinterzimmer ausgehandelten Deal bekannt gegeben hatte, ging alles schnell: Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ließ die Kammer den gewichtigsten Anklagevorwurf des schweren Raubes fallen. Im Gegenzug gaben alle 14 Rocker zu, im März 2006 bei ihrem brutalen Überfall auf die gegnerischen Bandidos gefährliche Körperverletzung begangen haben.

Richter Seifert las noch ein gerichtsmedizinisches Gutachten vor, in dem die durch Schläge mit Axtstielen verursachten schweren Verletzungen der fünf Bandidos geschildert wurden. Dann wurde die Beweisaufnahme mit einem Blick in das Strafregister der Angeklagten abgeschlossen: Sechs Hells Angels waren nicht vorbestraft, fünf hatten schon mal Geld-, drei bereits Bewährungsstrafen bekommen. Der Staatsanwalt plädierte wie im Deal vereinbart. Die Verteidiger schlossen sich dem mit einer Ausnahme an.

Auch das Urteil folgte dann exakt der Absprache. Für die gefährliche Körperverletzung setzte Richter Seifert bei 13 der Hells Angels jeweils zwei Jahre Haft an. Diese wurden bei elf der „Höllenengel“ zur Bewährung ausgesetzt. Den Chef der Bremer Hells Angels bedachte das Gericht von vornherein mit zwei Jahren und zehn Monaten Haft ohne Bewährung. „Der Sergeant in Arms hat bei dem Überfall sicherlich eine andere Funktion gehabt als ein einfaches Mitglied der Hells Angels“, begründete der in der Rocker-Hierarchie kundige Vorsitzende die höhere Strafe für den Chef des „MC Westside Bremen“.

Bei zwei weiteren Hells Angels konnten die zwei Jahre nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, weil sie noch alte Bewährungsstrafen offen hatten. Sie bedachte der Richter mit Gesamtstrafen von zweieinhalb und von zwei Jahren und acht Monaten ohne Bewährung. Die gegen zwölf der Rocker im Juni verhängten Haftbefehle hob das Gericht auf. Auch die drei zu Haftstrafen Verurteilten dürfen den Strafantritt in Freiheit erwarten. Das Urteil ist rechtskräftig. Staatsanwaltschaft und Verteidiger verzichten nach der Verkündung auf Rechtsmittel.

Den Deal begründeten Gericht und Anklage mit Beweisproblemen, die das Schweigen eines Angeklagten verursachte, der zugleich Hauptbelastungszeuge war. Der 32-Jährige hatte nach seinem Ausstieg bei den Hells Angels die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Richter Seifert sagte zudem, der Vorwurf des schweren Raubes habe „von Anfang an auf tönernen Füßen gestanden“. Die Hells Angels hatten bei ihrem Überfall auf das Vereinsheim der Bandidos zwar alles geraubt, was das Emblem der Konkurrenten trug, und zum Ausspionieren auch den dortigen Computer mitgenommen. Nach Auffassung des Richters wollten sie die Bandidos-Insignien aber nur zerstören und nicht in ihr Eigentum überführen. Juristisch ist das aber Voraussetzung für den Tatbestand des Raubes, auf den im schweren Fall gleich eine Mindeststrafe von fünf Jahren Haft steht.

Am Ende seiner Urteilsbegründung brach Richter Seifert noch eine Lanze für das staatliche Gewaltmonopol. Das Urteil sei „ein klares Zeichen, dass die staatliche Gemeinschaft nicht duldet, dass verfeindete Gruppen nach eigenen Regeln Machtkämpfe austragen“. Zudem nahm er die Angeklagten ausdrücklich gegen Vorurteile in Schutz: „Wenn man zu den Hells Angels gehört, ist man nicht gleich ein Zuhälter oder Drogenhändler“, sagte er. Mit dem Satz „Meine Herren bleiben Sie sauber!“, entließ der Vorsitzende die Angeklagten in die Freiheit.