Gewalttätige Familien
: Ein mühseliger, notwendiger Weg

In Hamburg laufen parallel zwei Prozesse gegen Brüder, denen Straftaten gegen ihre Schwestern vorgeworfen werden. Ahmad O. soll seine Schwester Morsal wegen ihres westlichen Lebensstils getötet haben, Özgür D. schlug seine Schwester wegen eines „Familienproblems“, wie er es nennt. Die Fälle sind in ihrer Dimension nicht vergleichbar. Aber sie sind erhellend, wenn man sich fragt, warum so selten Auswege aus dieser Art von „Familienproblem“ gefunden werden.

KOMMENTAR VON FRIEDERIKE GRÄFF

Beiden Opfern ist es nicht gelungen, sich von einer Familie loszusagen, in der Gewalt als Kommunikations- und Disziplinierungsmittel diente. Morsal O., ein Mädchen noch, hat immer wieder Anzeige gegen Vater, Mutter und Bruder erstattet und dann doch wieder zurückgezogen. Yasemin D. hat in einem Fall, der fraglos weniger dramatisch und weniger eindeutig ist, scheinbar sogar versucht, die Zeugin von ihrer Aussage abzubringen. Aber, und das ist der entscheidende Unterschied: es gab eine Außenstehende, die nicht bereit war, das System der Gewalt zu decken.

Genau das ist in den meisten Fällen nicht gegeben – die Gewalt bleibt in der Familie. Was dann zu tun ist, ist ein langsamer, mühseliger Weg: Als Gesellschaft zu zeigen, dass Gewalt inakzeptabel ist. Mädchen in diesem Gefühl aufwachsen zu lassen. Und diejenigen, die sie ausüben, früh und deutlich zu bestrafen.