frisches flimmern
: Filme ohne Ende

In zwei wieder erstarkten Filmländern entstanden innovative, düstere Produktionen.

Österreich

Der einzelne Flügelschlag eines Schmetterlings genügt und über dem Golf von Mexiko tobt ein Orkan. Der Sturm lässt das Flugzeug mit der Supermarktkassiererin Manu (Kathrin Resetarits), die aus dem brasilianischen Urlaubsparadies zurückkommt, abstürzen. Sie überlebt als Einzige. Die Prinzipien der Chaostheorie spielen in Barbara Alberts zweiten Spielfilm „Böse Zellen - Free Radicals“ eine entscheidende Rolle. Ihr Erzählstil ist nicht linear. Hauptfiguren gibt es nicht. So entsteht ein Geflecht aus einzelnen Episoden, die miteinander in Beziehung stehen.

Sechs Jahre nach der Katastrophe arbeitet Manu in einem Supermarkt einer österreichischen Kleinstadt. Ihr Mann leitet das Kino. Auf der nächtlichen Heimfahrt von einer Disco kollidiert Manu mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Diesmal hat sie Pech und stirbt. Der Unfall hat Auswirkungen auf das Leben ihrer Familie.

Der Film entwirft das Bild einer verwirrten Gesellschaft. Auf der Suche nach Glück und Sinn bleibt für viele nur die Flucht in die TV- oder Konsumwelt. „Diese Einkaufstempel, von denen wir überall umgeben sind, zeigen, wie sehr wir uns an jede auch noch so inhaltsleere Utopie klammern“, erklärt die Regisseurin. Der Film biete aber keinen Ausweg. Barbara Albert gehört zur mutigen Riege der österreichischen Filmschaffenden.

Russland

Ein altes Foto zeigt eine sichtbar glückliche Familie. Für die Söhne Iwan (Iwan Dobronrawow) und Andrej (Wladimir Garin) eine der wenigen Erinnerungen an den Vater. Sie leben mit Mutter (Natalija Wdowina) und Oma in einer kleinen russischen Provinzstadt. Nach zehn Jahren taucht der Vater (Konstantin Lawronjenko) unerwartet wieder auf. Er nimmt sie mit auf eine Reise durch die wilde Schönheit der nordrussischen Landschaft, Ziel ist eine Insel vor der Küste. Doch das Abenteuer entwickelt sich immer mehr zu einem Härtetest für Iwan und Andrej. Der Vater stellt die Widerstandskraft seiner Söhne rücksichtslos auf die Probe, bleibt stets fremd und unheimlich. Er könne ja ein Verbrecher, ein Mörder sein, meint Iwan einmal. Der Film lässt Fragen unbeantwortet, macht so verschiedene Deutungen möglich. So erstreckt sich die Handlung des Films über die sieben biblischen Schöpfungstage, kann aber auch als eine Parabel auf das Schicksal Russlands gesehen werden. Für seinen Debütfilm „The Return - Die Rückkehr“ erhielt der Russe Andrej Swjaginzew 2003 den Goldenen Löwen in Venedig. Sein archaisches Vater-Sohn Drama brachte dem russischen Film endlich wieder internationale Anerkennung. Das junge russische Kino lebt. STEFAN ORTMANN