Ruhiger Pragmatiker

Henning Scherf (64), der beim letzten Mal Rot-Grün favorisierte, hat seine eigene mit der Zukunft des Koalitionspartners CDU verwoben

BREMEN taz ■ Er hat's rausgerissen, der Sieg der SPD geht allein auf das Konto von Henning Scherf. Nur seiner Person ist zuzurechnen, dass der Bundestrend vor Bremens Toren endet, dass die SPD nicht nur ihre Mehrheit verteidigt, sondern noch zulegt. Gebetsmühlenartig hat er wiederholt, wenn seine SPD nicht Nummer eins werde, stehe er nicht mehr zur Verfügung. Das sei „so was wie 'ne Klarstellung“, sagte er kürzlich bei Radio Bremen und tat verwundert, dass er immer wieder danach gefragt wurde. „Ich sage das den Menschen vorher, damit sie nachher nicht überrascht sind, wenn ich das wirklich tue.“

Es hat funktioniert. Zum letzten Mal, wenn die Worte des 64-Jährigen stimmen und die gestrige „meine wahrscheinlich allerletzte Wahl“ war. Er könne, bekannte er gestern Morgen, „mit beiden Alternativen gut leben“. Also auch mit der, nicht auf Platz eins der Wählergunst zu landen. Und wie er das sagte, ruhig, aufgeräumt, da war ihm das glatt zu glauben.

Henning Scherf ist Bremer. Aufgewachsen ist der Sohn eines Drogisten und einer Apothekerhelferin mit fünf Geschwistern. Ausgestattet mit einem Hochbegabtenstipendium, studiert Scherf in den 60er-Jahren Jura in Hamburg und promoviert. Mit 25 tritt er in die SPD ein, mit 33 zieht er in die Bürgerschaft ein, ein halbes Jahr später wird er Landesvorsitzender seiner Partei. In den Senat kommt Scherf 1978, mit 40, als er den Job eines zurückgetretenen Finanzsenators übernimmt. Dann wird er Sozialsenator und gewinnt hier die Popularität, die er seither nie wieder eingebüßt hat. Scherf gilt in dieser Zeit als links bei den Linken: Er tritt offen gegen den Nato-Doppelbeschluss an, demonstriert in Mutlangen gegen Pershing II und macht einen Abstecher als Kaffeepflücker nach Nicaragua.

Für die direkte Nachfolge des beliebten Bürgermeisters Hans Koschnick reicht es 1985 dann noch nicht, aber zehn Jahre später ist es so weit: Die Ampelkoalition platzt, und die SPD fährt mit gerade mal 33 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis ein. Bürgermeister Klaus Wedemeier tritt ab, Scherf tritt an – als Rot-Grün-Sympathisant, der aber nach einer knapp ausgegangenen Mitgliederbefragung für Rot-Schwarz in nur zwei Wochen die große Koalition zusammenzimmert.

Vier Jahre später bestätigen mehr als 42 Prozent SPD-Stimmen ihn und den großkoalitionären Kurs. Inzwischen scheint es nie anders gewesen zu sein: So eng hat Scherf seine eigene mit der Zukunft der CDU verwoben, dass auch den Genossen, die längst Rot-Grün favorisieren, keine Chance blieb, als zu schweigen. Das werden sie jetzt wohl weiterhin tun. SUSANNE GIEFFERS