Der Hardliner, der plötzlich schwankt

Günther Beckstein gilt als Verfechter einer rigiden Innenpolitik. Doch viele in der CSU finden den Minister jetzt zu lasch

Kritik von links ist Günther Beckstein gewohnt. Der bayerische Innenminister sei ein „ideologischer Hardliner“, schimpfte die damalige Grünen-Chefin Claudia Roth, als Beckstein 2002 in Edmund Stoibers Kompetenzteam war. Das Image kommt nicht von ungefähr, Beckstein poltert gern. „Insgesamt gehen wir in Deutschland zu lasch vor“, befand er gerade erst, als es um potenzielle Terroristen ging. Alles Quatsch, widersprach sein Gegenspieler Otto Schily. Beckstein übertreibe, um „Unruhe in der Bevölkerung zu schüren“.

So weit, so normal. Neu ist, dass Beckstein nun Kritik aus den eigenen Reihen zu hören bekommt. Nicht die Regierung, er selbst sei zu lasch geworden, wurde in der letzten Sitzung der CSU-Landesgruppe in Berlin moniert. 15 Wortmeldungen, 15-mal die Warnung, Beckstein solle bei den Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz nicht so freundlich mit Rot-Grün umgehen. Freundlich? Beckstein? Ja, so kann man es sehen. Schließlich verhandelt Beckstein immerhin noch weiter, auch heute trifft er sich wieder mit Schily und den Grünen – obwohl viele in seiner Partei gar kein Interesse an einem Gesetz haben, das trotz aller Verschärfungen halbwegs anerkennt, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist.

Das passt vielen nicht, und das haben sie Beckstein nun gesagt. Damit es auch jeder mitbekommt, wandten sich einige Parteifreunde an die Welt. Der „früher“ für Law and Order stehende Minister sei von einer Art „Altersmilde“ ergriffen, lästerte ein CSU-Kollege, mehr noch: „Der Günther schwankt ein Stück.“ Auch CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach sagte der taz, Beckstein sei in den letzten Gesprächen mit Rot-Grün „überraschend konziliant“ gewesen.

So kurios diese Beschreibungen in den Ohren der linken Gegner klingen mögen: Beckstein steht unter Druck. Seine Leute fordern Härte, Härte, Härte. Doch was der Bayer auch sagt, der rot-grüne Minister Schily hat kein Problem, ihn rhetorisch rechts zu überholen. Eine „Sicherungshaft“ für Terrorverdächtige zu fordern, war dem Bayern gar nicht eingefallen – wohl wissend, dass sie rechtlich kaum durchzusetzen wäre.

Eines müsse man Beckstein lassen, sagt ein Politiker, der mit der Union über die Zuwanderung verhandelt. „Er weiß, wovon er redet. Er schlägt nichts vor, was sowieso nicht geht.“

Beckstein wird weiter den Spagat üben – zwischen dem rechten Flügel seiner Partei und seinen langfristigen Zielen. Als einer der wenigen in der Union hat er nämlich erkannt, dass es unter den konservativen Türken durchaus ein Wählerpotenzial für die CSU gibt. So pflegt er gute Kontakte zu Migrantenorganisationen. In seinem Nürnberger Kreisverband hat er bereits mehr als 100 Muslime aufgenommen.

Kurzfristig dürften aber die Meinungen der Unionskollegen wichtiger sein. Beckstein nehme die Kritik ernst, sagte sein Sprecher. „Natürlich kann es sein, dass das Einfluss auf den weiteren Gang der Verhandlungen haben wird.“ LUKAS WALLRAFF