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: Alt ausgehen: Hot Spot Krankenhaus

Der Mensch, die Gesellschaft an sich, wir alle werden immer älter. Das ist nun, Frank Schirrmacher sei Dank, endlich erwiesen. Deshalb ist es nicht verkehrt, wenn wir uns jetzt schon für die Ausgeh- und Lebenspraxis unserer älteren Mitbürger interessieren. Was könnte dazu besser dienen als ein Krankenhausbesuch: Alte Menschen verbringen bekanntlich viel Freizeit damit, andere Alte im Krankenhaus zu besuchen. Das Krankenhaus ist praktisch der Club des Alters.

Wen nun eine interessante Krankheit oder ein folgenschwerer Unfall in diese andere Welt „Krankenhaus“ führt, sollte nicht jammern, sondern sich glücklich schätzen, wichtige Erfahrungen für später zu machen. Jedes Krankenhaus ist anders, sei dem Anfänger gesagt, aber die Seele, der Treffpunkt und Hot Spot ist überall die meist im Erdgeschoss gelegene Cafeteria.

Doch mit den uns vertrauten Szenecafés hat die Krankenhaus-Cafeteria nicht viel gemein. Die Cafeteria ist hässlich und multifunktional: Hier stopfen sich die der Krankenhausschonkost überdrüssigen Patienten mit Buletten, Würsten und Mayonnaise voll, hier werden in munteren Rentnerzirkeln Tortenstücke verladen, hier spielt, weitab von unseren üblichen Lebensmittelpunkten, das pralle Leben. Die Teilhabe an dieser anderen Kultur scheint zunächst nicht ganz einfach, da heißt es tüchtig umgewöhnen für die verzärtelte Generation Latte Macchiato. Die großstädtische Caférevolution hat in den Kliniken noch nicht stattgefunden, wer hier überleben will, muss sich anpassen.

Die Grundregel lautet: In der Krankenhaus-Cafeteria immer nur Filterkaffee bestellen! Alles andere ist ungenießbar. Hier wird der Cappuccino noch mit Sprühsahne serviert oder brodelt direkt Pulversuppe aus dem Jacobs-Automaten in die Tasse. Lokale Unterschiede mag es in allen anderen Bereichen geben, aber diese Kaffee-Grundregel gilt vom Urban bis zur Charitè, vom Klinikum Neukölln bis DRK Westend.

Da muss sich natürlich noch einiges ändern, aber bis in dreißig Jahren wird sich das Angebot den neuen Alten, also uns, angepasst haben. Denn mit dem Alter werden auch wir immer kränker und auch unsere jüngeren Bekannten werden irgendwann der Generation 50 plus angehören und wie wir ständig jemanden in Krankenhäusern und Rehakliniken besuchen. Bis dahin werden sich die Cafeteria-Ausstatter bestimmt umorientiert haben. Helle Hölzer, Milchkaffee, Latte Macchiato, mediterrane Snacks, Muffins, Lachs-Bagels, alles kein Problem mehr. Es wird herrlich werden. CHRISTIANE RÖSINGER