warten wie in bayern
: Nur so ‘ne Idee

Die Bundestagsvizepräsidentin sorgt sich um Reichstagsbesucher, denkt an Neuschwanstein, aber dann doch nicht

„Ich glaube, die Berliner sind einfach überfordert sich so etwas auszudenken“, sagt Susanne Kastner. Und lacht herzlich. Sie ist die Vizepräsidentin des Bundestags und SPD-Abgeordnete aus Bayern. Sie will, dass die Leute vor dem Reichstag nicht mehr so lange warten müssen. Ihre Lösung: elektronische Besucherführung. „Wie in Schloss Neuschwanstein, da funktioniert das super.“ Auf dem Schloss des verrückten Bayernkönigs Ludwig wird der Besucher nach dem Ticketkauf zunächst in einem ummauerten Pferch gesammelt. Drei Eisentore gewähren dann Einlass ins Innere – wenn die Ampel auf Grün steht.

„Es geht doch für eine Weltstadt wie Berlin nicht an, dass die Leute für Stunden in der Schlange stehen“, stöhnt Kastner. Ihre Sprecherin betont den Ernst der Lage: „Manchmal stehen die bis hier vor dem Jakob-Kaiser-Haus.“ Der Pöbel dräut vor den Büros der Abgeordneten. Und der gemeine Süddeutsche gruselt sich in Berlin naturgemäß vor maulenden Busfahrern und besoffenen Kioskverkäuferinnnen. „Hach, die Nationalhymne von Berlin“, seufzt Kastner und hebt lächelnd die Augenlider. Gerade sirenen draußen drei Polizeiautos vorbei.

Dann widmet sie sich wieder ihrem eigentlichen Anliegen. Jährlich warten also drei Millionen Besucher vor dem Reichstag. Deshalb soll ein Besucherzentrum mit Besucherführung her. Jeder soll eine Nummer ziehen, macht zwischendurch was anderes, kommt zurück und flutscht, wenn er an der Reihe ist, schnell ins Parlament. Schwärmt Kastner. Im nächsten Sommer könnte das Zentrum stehen: mit Klos, Bundestagsshop und Öffentlichkeitsarbeit. Schwärmt Kastner. Allerdings ohne Besucherführung, denn die ist nicht eingeplant, stöhnt Kastner. Weil sich die Berliner die nicht ausdenken. Und Kastner auch nicht. „Ist doch nicht meine Aufgabe“, stöhnt sie. Aber Nähe zum Volk, das ist ihre Aufgabe. Am Donnerstag will sie „in die Schlange gehen“. Von 10 bis 12 Uhr, „um mit den Menschen zu reden“. Das ändert zwar nichts an der Tatsache, dass sich nichts ändert. Besucherführung ist nicht. Weil der Plebs aber trotzdem nicht mehr vor den Büros der Abgeordneten herumstehen soll, wird es in dem neuen, schönen Besucherzentrum immerhin eine Cafeteria geben. Ein Journalist aus Bayern verlangt leutselig „einen Biergarten im Tiergarten“. Noch so eine Idee. DANIEL SCHULZ