IM ZWEIFEL FÜR DIE ANGEKLAGTEN GILT AUCH IM MANNESMANN-PROZESS
: Schändliches Tun, juristisch korrekt

In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten. Dieser Rechtsgrundsatz gilt auch für Wirtschaftsbosse und könnte somit die Angeklagten im Mannesmann-Strafprozess vor einer Verurteilung bewahren. Die Vorsitzende Richterin, Brigitte Koppenhöfer, hat in einem Rechtsgespräch ihre Neigung zu einem Freispruch im Zweifel kundgetan. Ob sich davon die Staatsanwaltschaft schon geschlagen gibt, bleibt abzuwarten. Erste Signale deuten darauf hin, dass die Ankläger weiterhin hoffen, den beschuldigten Managern das „Wissen und Wollen“ einer bösen Tat nachzuweisen.

Aber selbst bei einem Freispruch – ursprünglich waren strafmildernde Selbstbezichtigungen und Geldstrafen erwartet worden – behalten Ex-Mannesmann-Boss Klaus Esser und Deutsche-Bank-Boss Josef Ackermann keine weiße Weste. Nach Meinung der Richterin haben Ackermann und seine Kollegen bei der Bewilligung einer Anerkennungsprämie für Esser in Höhe von zehn Millionen Pfund eine „gravierende Pflichtverletzung“ begangen, obendrein mangelnde Sorgfalt bewiesen und wiederholt gegen das Aktienrecht verstoßen. Die Angeklagten haben also objektiv gegen das Gesetz verstoßen. Juristisch schuldlos sind sie nur, weil sie es möglicherweise in gutem Glauben taten, denn Fachleute hatten ihr schändliches Tun zuvor abgesegnet.

Auch wenn die Angeklagten im Prozess vor dem Landgericht Düsseldorf tatsächlich noch einmal ungeschoren davon kommen – der spektakulärste Wirtschaftsprozess in der bundesdeutschen Geschichte könnte eine ungleich schmerzlichere Fortsetzung vor den Zivilgerichten finden. Josef Ackermann könnte spätestens dann seinen mit elf Millionen Euro dotierten Arbeitsplatz verlieren. Schließlich reitet niemand so lautstark an der Spitze der Corporate-Governannce-Bewegung für eine saubere Geschäftswelt wie die Deutsche Bank. Ein Vorstandsvorsitzender, dem ein Gericht deftige und kostspielige Verstöße gegen das vermeintlich Allerheiligste des Kapitals, nämlich das Aktienrecht, attestiert, dürfte für die Großbank auf Dauer nicht tragbar sein. HERMANNUS PFEIFFER