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: Der Frieden ist nicht sicher

Die finanziellen Hilfszusagen der Berliner Afghanistankonferenz sind substanziell. Sie zeigen, dass die internationale Gemeinschaft sich ihrer Verpflichtungen bewusst ist. Auch hat sie die Lektion der Vergangenheit gelernt – zumindest in finanzieller Hinsicht. Viele schauten weg, als das Land am Hindukusch in Gewalt und Chaos versank. Dies rächte sich am 11. September 2001. Seitdem ist klar, dass zerfallende Staaten eine Heimat für Terroristen sind. Afghanistan steht seitdem oben auf der Tagesordnung der internationalen Gemeinschaft. Sie kann sich aus dem Land nur zurückziehen, wenn sie dort ein funktionierendes Staatswesen aufbaut.

KOMMENTARvon SVEN HANSEN

In Afghanistan hat sich seit dem Sturz der Taliban viel getan. Doch unumkehrbar ist der Prozess hin zu mehr Demokratie und Menschenrechten noch längst nicht. Denn eine nennenswerte Entwaffnung der Bevölkerung fand bisher nicht statt. Nach wie vor ist das Hauptproblem – die Warlords und ihre Milizen – nicht gelöst. Sich mit ihnen anzulegen, wagte die internationale Gemeinschaft bisher nicht. Vielmehr paktierten die USA mit ihnen, um sie gegen Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer einzuspannen. Da die Teilnehmerstaaten der Berliner Konferenz sich nicht zur Entsendung von substanziell mehr Friedenstruppen durchringen konnten, dürfte die Instabiliät in Afghanistan noch lange bleiben.

Die Gratwanderung zwischen partiellem Wiederaufbau und andauernder Instabilität durch Kriegsfürsten und Drogenbarone wird deshalb nach der Berliner Konferenz weitergehen. Die Hilfszusagen ermöglichen zwar Wiederaufbauprojekte, doch sicherheitspolitisch ist keine Wende in Sicht. Vielmehr dürften einige Warlords ihre Macht noch mittels Wahlen legitimieren und dann noch schwerer zu entmachten sein.

„Der Westen hat die Uhr, und wir haben die Zeit“, lautet ein Spruch der Taliban. Sie hoffen darauf, dass die internationale Gemeinschaft die Geduld verliert und sich wieder aus Afghanistan zurückzieht. Schließlich ist Zeit im Westen Geld. Mit den Hilfszusagen von Berlin wurde zumindest Zeit gekauft und ein Versprechen gegeben: Die internationale Gemeinschaft wird sich nicht so schnell zurückziehen. Ob das eingelöst wird, zeigt sich, wenn andere Krisen Afghanistan aus den Schlagzeilen verdrängen. Es bleibt die zynische Erkenntnis: Ohne den 11. September wäre Afghanistan längst vergessen worden.

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