Letzte Rettung Fans

Abschied (VII): Nach schlagzeilenträchtigen Grabenkämpfen sucht der FC St. Pauli nun viele Spender und seine längst verlorene Geschlossenheit

„Die Mitglieder entscheiden, ob ich zur Rechenschaft gezogen werden soll“

von OKE GÖTTLICH

Corny Littmann macht es wie der Bundeskanzler. Nachdem er die wirtschaftlich miserable Vergangenheit für alle verständlich in die Blöcke diktierte, bot er seinen Rücktritt an – wohlwissend, dass dies die letzten Hoffnungen des Vereins ersticken würde. „Alle Beteiligten, inklusive meiner Person, sind für die finanzielle Situation verantwortlich zu machen. Die Mitglieder entscheiden, ob ich dafür zur Rechenschaft gezogen werden soll.“

Der Präsident des FC St. Pauli betonte dies, nachdem er das „System St. Pauli“ für die fehlenden zwei Millionen Euro, die der Verein zum Erhalt der Regionalligalizenz benötigt, verantwortlich gemacht hat. „Mangelnde Budgetkontrolle und Träumereien“ seiner Vorgänger um Reenald Koch, Christian Pothe und Geschäftsführerin Tatjana Groeteke versuchte Littmann weniger den ehemaligen Verantwortlichen vorzuwerfen, als die Fehler durch eine unkontrollierte Vereinsstruktur zu begründen.

Letztlich käme der Fehlbetrag durch Mindereinnahmen aus den Fernsehrechten (970.000 Euro) sowie durch Mehrausgaben für das Jugendleistungszentrum (550.000 Euro) zustande. Weitere Kosten im bis Ende Juni laufenden Geschäftsjahr fielen für den Lizenzspielerbetrieb (970.000 Euro Profis und 140.000 Euro Amateure) sowie für Mitgliederversammlungen und Rechtsberatungen in Höhe von 400.000 Euro an. Den Planungen des Ex-Präsidiums (8,8 Millionen Euro Umsatz und 763.000 Euro Überschuss) stehen tatsächlich 9,2 Millionen Euro Umsatz und ein Minus von 816.000 Euro gegenüber.

„Dass sich ein Budget ändert, ist nicht ungewöhnlich“, so Littmann, „ungewöhnlich ist nur die Tatsache, dass es weder Kontrollmechanismen noch eine Strukturanpassung von der ersten Liga zur zweiten Liga gegeben hat.“ Künftig plant Littmann „Umstrukturierungen, wie es sie noch nie gegeben hat“. Auch Spielerverträge werden anders gestaltet und um erfolgsabhängige Faktoren ergänzt. Ein unentgeltlich arbeitender „sportlicher Beirat“ um Ex-Spieler Dieter Schlindwein, Jens Duwe, Stefan Studer und Klaus Ottens soll den Verein nach der Trennung von Manager Stephan Beutel bei der Spielersuche beraten.

Um überhaupt in der Regionalliga antreten zu dürfen, startet der Verein die Kampagne „Wir glauben an den FC St. Pauli“. Zwei zum Gebet gefaltete Hände zieren die neuen Dauerkarten, die ab Montag verkauft werden. Außerdem werden T-Shirts mit dem Slogan: „Weltpokalsiegerbesieger – Retter“ auf der Reeperbahn verkauft. Benefizspiele gegen den HSV, Bayern München und Celtic Glasgow sollen vertraglich gesichert werden, um den Betrag schon vor der Deadline 11. Juni gegenüber der Deutschen Fußball-Liga belasten zu können. Außerdem werden auf zwei Konten Spenden für den klammen Verein (www.fcstpauli.de und www.rettet-stpauli.de) angenommen.

Die gebeutelten Anhänger des Kiez-Vereins sind seine letzte Rettung.