Die Kumpels haben vorsortiert

Zwei Jahre nach einer „bescheuerten Entscheidung“ kann das Hamburger Label Tapete auf über 25 Veröffentlichungen zurückblicken. Release-Parties quer durch NRW begleiten den aktuellen Compilation CD-Start

“Eigentlich war es eine total bescheuerte Entscheidung: Zu dieser Zeit eine Plattenfirma zu gründen – wie blöd muss man denn sein?“ Dirk Darmstaedter sagt das nicht ohne Stolz über die eigene Courage. Wir sitzen im Erdgeschoss des Kölner Viva-Gebäudes, wo er und Gunther Buskies, die Betreiber des Labels Tapete Records, gerade ihre Musik vorgestellt haben. Ob das Unglaubliche klappt und ein Kommerzsender sich mal für Musik einsetzt, die nicht eh schon in den Charts ist?

Zu wünschen wäre es. Denn in der Stahltwiete 10, Hamburg-Altona, wo Tapete im Dachgeschoss einer alten Fischfabrik residiert, ist in zwei Jahren einfach unglaublich viel unglaublich gute Musik entstanden. Auf 25 CDs hat es das Label inzwischen gebracht, was kürzlich mit einem „V 25“ betitelten Sampler gefeiert wurde. Und weil den Tapete-Leuten das Zusammenstellen von Mixtapes offenbar Spaß macht, folgt nun auch die zweite Folge einer Compilation, deren Titel auch die Repertoire-Politik des Labels umreißt: Müssen alle mit. „Die Leute“, sagt Darmstaedter, sollen bei uns den Eindruck haben: Da haben ein paar gute Kumpels schon mal vorsortiert.“

Als sich Darmtaedter und Buskies kennen lernten, hatten beide reichlich Erfahrung im Musikgeschäft gesammelt. Buskies als Produktmanager bei Universal Music, Darmstaedter als Kopf der Jeremy Days. Eine Best-Of-CD der Band brachte die beiden ins Gespräch. „Bei Universal war vorher ein Best-Of- Jeremy-Days erschienen, das recht billig daher kam“, so Buskies, „Man hatte die Musiker gar nicht gefragt, absolut respektlos.“ Die Herren merkten schnell, dass sie einiges gemeinsam hatten. Der eine hatte „keine Lust mehr, bei einer Firma zu sein, wo sich die Leute für das, was ich mache, gar nicht interessieren.“ Der andere wollte „selbst entscheiden, für welche Musiker ich mich kümmere. Und nicht vorgesetzt bekommen: ,Du machst jetzt mal die Bananafishbones‘.“ Dass da ein paar Leute, während die Großen über Umsatzrückgänge lamentieren, die Musik machen, die sie selbst gern hören möchten - das ist es, was Tapete in der Indie-Gemeinde ihr Standing verleiht. Wobei die Betreiber sich gar nicht als typisches Indie-Label verstehen. „Zumindest nicht im Sinn von ,schräges, unhörbares Zeug‘, sondern von ,charmant, sympathisch, ehrlich‘“, sagt Buskies. Darmstaedter ergänzt: „Es müssen richtige Künstler sein, keine Projekte. Wir sind nicht so sehr an Sounds und Beats interessiert. Die Sachen müssen auch mit einer Gitarre funktionieren“

Wenn‘s denn ein Etikett braucht, ist wohl Songwriter-Pop das, was etwa die verstiegene Poesie der Westfalen Erdmöbel oder den glamourösen Streicherstrahlepop von Montag unter einen Hut bringt. Dass viel Musik mit deutschen Texten dabei ist, hat nichts mit dem aktuellen Deutschpop-Boom zu tun. „Ich kann einfach dieses Lübke-Englisch von deutschen Bands nicht hören“, sagt der Deutsch-Amerikaner Darmstaedter.

CHRISTIAN MÖLLER

CD: Müssen alle mit 2 Release-Parties: 3.4., Gleis 22, Münster 6.4., Sounds, Bielefeld 14.4., Zwischenfall, Bochum 28.4., Blue Shell, Köln www.tapeterecords.de