Der Tiger tanzt Polka

Tom Jones wurde in der Bremer Stadthalle durch Souveränität und Selbstironie zum Sean Connery der Popmusik

Nein, ganz füllen kann Tom Jones die Stuhlreihen im Innenraum der Bremer Stadthalle zur Zeit nicht. Das war vor zwei Jahren noch ganz anders, da war sein Hit „Sexbomb“ in aller Ohr und der 60-Jährige gerade mit dem „Brit Award“ als „best male artist“ ausgezeichnet worden. Aber die Fangemeinde hat immer noch eine solide Stärke, und es hat auch sein Gutes, wenn nun statt Damenunterwäsche nur noch ein paar Blumensträuße auf die Bühne geworfen werden.

Ein neuer Hit ist gerade nicht in Sicht, aber als Entertainer spielt Tom Jones immer noch in der Champions League. Mit einer soliden Band (drei Vokalisten, vier Bläser, Keyboarder, Bassist, Gitarrist und ein Muppet-Show-Tier am Schlagzeug) und ohne technischen Schnickschnack lieferte er eine klassische Bühnenshow, denn er weiß längst, dass seine Stimme und seine Persönlichkeit die begehrtesten Showelemente sind.

Dabei fasziniert die Spannbreite seiner Songs: Musikalisch liegen Welten zwischen seiner ältesten Kamelle „What‘s New Pussycat“ und „Kiss“ von Prince. Und doch interpretiert er beide mit der gleichen Mischung aus Tigerschnurren und Ironie. Bei „Pussycat“ macht er etwa augenzwinkernd ein paar rührend wirkende Polkaschritte, während das Keyboard wie ein Akkordeon dudelt und die Bläser tüchtig hupen. Bei „Delilah“ gibt er den Macho als Selbstparodie mit rollenden Augen, und einmal reißt er gar sein Hemd auf und zeigt kurz seine haarige Brust.

Die Show war dramaturgisch so klug arrangiert, dass das knapp zweistündige Konzert mindestens vier Höhepunkte hatte, bei denen es das Publikum von den Sitzen riss. Jones konnte es sich leisten, Stimmungsmacher wie seinen James-Bond-Song „Thunderball“ wegzulassen, um stattdessen als Hommage an seinen proletarischen „coal-mining“ Vater eine Reihe von ruhigen „songs for the workers“ zu singen. Und er schafft es, seine alten Hits so zu präsentieren, dass sie keine Oldieparade werden. Jede Nuance setzt Jones pointiert und geht so souverän und selbstironisch mit seiner maskulinen Ausstrahlung um, dass ihm die Jahre nichts anhaben können. Das macht ihn zum Sean Connery der Popmusik. Wilfried Hippen