Halbseidene Handelsbrüder

In Dortmund sollen der Präsident und der zukünftige Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer wegen Untreue angezeigt werden. Die Kammer will alles genau prüfen

VON ELMAR KOK

Die Spendenpraxis der Industrie- und Handelskammer (IHK)-Tochter „Gesellschaft für Informationsverarbeitung (GfI)“ wird in Dortmund zu einer Anzeige wegen Untreue führen. Axel Pestel, Vorsitzender des Vereins der IHK-Verweigerer, will deren ehemaligen Geschäftsführer wegen Untreue anzeigen.

„Es wird für Winfried Materna nicht ganz einfach sein, weiter Präsident der IHK Dortmund zu bleiben“, sagt Pestel. Denn er habe nach Pestels Auffassung verhindern müssen, das die GfI als Tochter des Deutschen Industrie- und Handelskammertages in den Wahlkampfjahren 1998 und 1999 32.000 Mark an die Dortmunder CDU spendete. Da die Kammern zu politischer Neutralität verpflichtet sind, ist ihnen politisches Engagement verboten – und ihren Töchtern auch. Als Aufsichtsrat der GfI habe sich Materna mitschuldig an der illegitimen Parteispende gemacht. „Er hat beide Augen zugemacht“, sagt Pestel. Da jedes Unternehmen zwangsweise an die IHK zahlen müsse, sind die IHK-Verweigerer mit „ihrer“ Wahlkampfspende nicht einverstanden. Geschäftsführer der GfI zu Wahlkampfspendenzeiten war René Scheer. Scheer wird ab Juni neuer Geschäftsführer der IHK Dortmund und auch von Pestel angezeigt.

Die Materna GmbH arbeitet für jetzt schon 13 Kammern mit der GfI zusammen. Einer von Maternas Angestellten, Manfred Petz, soll früher als Prokurist bei der GfI gearbeitet haben. Scheer hat neben seinem zukünftigen IHK-Job auch noch einen anderen: Er ist Geschäftsführer der Ecofis GmbH, einer Beratungsfirma, die wie die GfI in Dortmund unter der Adresse Emil-Figge-Str. 86 zu erreichen ist. Die Ecofis ist eine gemeinsame Tochter des Inkassounternehmens Creditreform und der GfI. Geld verdient die Ecofis unter anderem mit der Recherche über Firmendaten. Kein Problem, die Firma dürfte es nicht so schwer haben, an die begehrten Daten zu kommen, schließlich residiert in der Dortmunder Emil-Figge-Straße 86 ja auch noch die „Arbeitsgemeinschaft Kammerleitstelle für Gewerbesteuermessbeträge“, die AKG GmbH. Die 1974 gegründete Leitstelle ist nach eigenen Angaben Dienstleister für die Kammern, und bietet „Zuordnungs- und Ermittlungsarbeit“. Aufgabe der Kammerleitstelle ist nach Selbstauskunft Datenübermittlung und Zuordnung. Zudem erhält die Kammerleitstelle Daten von den Länderfinanzverwaltungen, die sie nach eigenen Angaben an 82 Industrie- und Handels- sowie 43 Handwerkskammern weiterleitet. Inhaber des Internetauftritts ist – Ecofis.

Die Landesdatenschutzbeauftragte NRW findet am Datenhandel nichts anstößiges. „Es handelt sich ja nicht um personenbezogene Daten“, sagt Sprecherin Andrea Siekmann. Die IHK in Dortmund will die Spendenpraxis und die Beteiligungen der handelnden Personen jetzt nochmal prüfen, sagt Kammerspecher Georg Schulte. „Wir prüfen jetzt alles“, sagt Schulte.