Schlemmen im Aquarium

Wie wär‘s mit Spargelrisotto an Möhrenschaum? 40 Chefköche servieren im „Gläsernen Restaurant“ warme Mahlzeiten. Die Zutaten kommen aus ökologischem Anbau – und fast alle aus der Region

„Schöpfungswahrung und Nachhaltigkeit – das kommt doch fast aufs Selbe raus“

von SEBASTIAN SEDLMAYR

Jogurt-Mohn-Mousse auf Mangospiegel oder Spargelrisotto an Möhrenschaum – wem läuft da nicht das Wasser im Mund zusammen? Im „Gläsernen Restaurant“ auf dem Berliner Messegelände servieren Chefköche warme Mahlzeiten für hungrige Kirchentagsbesucher. Die dürfen ohne Reue genießen: Die Zutaten kommen aus ökologischem Anbau, fast alle aus der Region. Pflaumen oder Orangen wird man also vergeblich suchen. Und wenn exotische Zutaten wie Mango auf den Tisch kommen, dann aus fairem Handel.

Das Gläserne Restaurant, getragen von evangelischen und katholischen Akademien aus dem ganzen Bundesgebiet, soll Lust auf mehr Ökokost im eigenen Haushalt, aber auch in der Kantine machen. Die Initiatoren Jobst Kraus, Studienleiter der Evangelischen Akademie Bad Boll, und der Landschaftsökologe Christian Schultze haben dafür eine Musterküche aufgebaut: Die Speisekarte ist angereichert mit Informationen über Herkunft und Inhaltsstoffe der Gerichte, eine kleine Ausstellung und Plakataushänge geben Auskunft über alles, was nach der Zubereitung auf dem Teller zu finden ist. Und auch das Kochen selbst ist betont transparent: Wie in einem Aquarium stehen rund 40 Köche hinter Glaswänden. Die Gäste können ihnen während des Essens beim Arbeiten zusehen.

„Wir wollen nicht mit dem Zeigefinger kommen, sondern mit dem Geschmack überzeugen“, sagt Christian Schultze. Seit Januar ist er damit beschäftigt, die vielen Tonnen Kartoffeln und Salat zu beschaffen, die im Gläsernen Restaurant mehr als 3.000 Gäste satt machen sollen. Dabei hatte Schultze mit den immer noch recht geringen Kapazitäten der ökologischen Landwirtschaft zu kämpfen. Einige Zutaten mussten aus weiter entfernten Bundesländern nach Berlin importiert werden, weil die Brandenburger Höfe nicht genug Ernte anbieten konnten.

Für Schultze ist der Kirchentag ein idealer Ort, um die Agrar- und Ernährungswende zu unterstützen. „Schöpfungsbewahrung und Nachhaltigkeit – das kommt fast aufs Selbe raus.“ Der 29-Jährige hofft, dass auch die Kirchenoberen auf den Geschmack kommen. Schließlich geben allein die Kirchenküchen in Deutschland jährlich 500 Millionen Euro für Lebensmittel aus – ein riesiger Markt für die aufstrebende Ökobranche.

Das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und die Centrale Marketing Agentur der Agrarwirtschaft haben dem Non-Profit-Projekt mit 28.000 Euro Zuschüssen unter die Arme gegriffen. Die grüne Ministerin Renate Künast hat ihren Staatssekretär Alexander Müller geschickt, um bei der Eröffnung am Donnerstag eine Tischrede zu halten.

Nicht nur für die Böden der Landwirte und die Gesundheit der Verbraucher sei regionales Essen aus ökologischem Anbau gut, sondern auch für die globale Umwelt, erklärt Schultze. „Die Küche im Dorf zu lassen“, so sein Partner Jobst Kraus, reduziere den Transportaufwand um 80 Prozent. Während die Zutaten für ein konventionelles Menü (Hauptgericht: Schweinebraten) 710 Kilometer über Land transportiert werden müssten, betrage der Fahrweg für eine ökologische Mahlzeit aus der eigenen Region (Hauptgericht: Mandelküchle) nur 105 Kilometer.

„Gläsernes Restaurant“, Messe, in Halle 11.1, Donnerstag bis Samstag, 11.30 bis 14 Uhr. 8 Euro pro 2-Gang-Menü (ermäßigt 7 Euro), Wasser und Kaffee (aus fairem Handel) gratis.