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„Mein Sohn glaubt an Peter Pan“

Die taz-Umfrage: Braucht der Mensch Religion? Schauspielerin Nick: „Nichtgläubige sollten Europa sofort verlassen.“ Soziologe Joas: „Jeder Mensch braucht Unverfügbares.“ Autor Kaminer: „Ich trete nicht auf Gullys, weil das Unglück bringt“

gesammelt von PHILIPP GESSLER

Désirée Nick, Schauspielerin:

„Natürlich braucht der Mensch Religion. Sie gehört zu unserer Kultur. Ohne Religion darf der Mensch keinen Sonntag, nicht die Oster- und Weihnachtsfeiertage in Anspruch nehmen. Die Art und Weise, Musik zu hören, Farben zu sehen – das kommt alles aus der christlichen Religion des Abendlandes. Wer sich da ausklinken will, sollte Europa verlassen. Aber: Die religiöse Bildung ist verkrüppelt. Dabei ist eine religiöse Erziehung vorzuenthalten so, als würde man einem Kind nicht Rechnen und Schreiben beibringen – und dann mit 12 sagen: ‚Entscheide du: Möchtest du Rechnen und Schreiben lernen?‘ Ich glaube an Gott und bete. Mit der Institution Kirche komme ich nicht klar.“

Désirée Nick, geboren 1960, war bereits Tänzerin im Pariser „Lido“ und katholische Religionslehrerin in Berlin.

Hans Joas, Soziologe:

„Kluge Männer und Frauen haben immer wieder Begründungen geliefert, weshalb der Mensch Religion braucht – unter anderem, weil es den Menschen glücklicher, friedlicher, ausgeglichener mache. Gleichzeitig aber werden solche Begründungen niemand dazu bringen, religiös zu werden. Der Glaube ist, theologisch ausgedrückt, eine Gnade. Jeder Mensch aber macht Erfahrungen von Selbsttranszendenz, wenn er Werten folgt. Diese Werte haben ihn ‚ergriffen‘, ohne dass er sie gewählt hätte. Sie sind ihm klar als gut erkennbar, ohne darüber nachgedacht zu haben. Der Mensch braucht diesen Bezug zum Unverfügbaren, etwa zum Wert der Menschenwürde, die unantastbar sein muss. Und Christen können nur anbieten, wie sie diesen Bezug deuten: als Religion, die sie brauchen.“

Prof. Dr. Hans Joas (Max-Weber-Kolleg, Universität Erfurt) hält einen der Hauptvorträge des Kirchentags. Thema: „Braucht der Mensch Religion?“

Petra Pau, PDS-Bundestagsabgeordnete:

„Ob der Mensch Religion braucht, ist eine individuelle Frage. Jede und jeder muss sie für sich beantworten, übrigens auch welche. Ich glaube: Wichtiger ist, dass Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit mehr beseelen als Egoismus, Macht und Gier. Religion kann dabei Quelle und Stütze sein, aber nicht nur sie. Ich bin als Kind religiös unterrichtet worden, in der DDR. Und es gibt Situationen, da fühle ich mich zum Glauben gezogen. Aber ich bin nicht religiös.“

Wladimir Kaminer, Schriftsteller:

„Ich glaube, jeder glaubt an irgendetwas. Ohne Glauben können die Menschen nicht überleben – egal, ob das nun Religion oder Aberglaube ist. Mein Sohn glaubt an Peter Pan. Ich versuche immer, nicht auf Gullys zu treten, weil ich glaube, das bringt Unglück. Außerdem glaube ich, dass Bier in grünen Flaschen schlecht wird. Diesen Aberglauben hört man in jeder Kneipe. So etwas aber darf man nicht außerhalb Berlins sagen. In Hamburg, wo man eigentlich nur Bier aus grünen Flaschen trinkt, werden sie dann ganz sauer.“

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