off-kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„Broadway Melody of 1940“ (OF) 2. 6. im Arsenal 2

„Ich träume, also bin ich nicht“, sagt sich Leo, der in Montreal, Kanada aufwachsende jugendliche Held, in Abwandlung eines berühmten philosophischen Mottos nicht bloß einmal, sondern immer wieder. Die Flucht aus der Wirklichkeit hat Leo auch bitter nötig, denn seine Proleten-Familie erscheint in Jean-Claude Lauzons melancholischer schwarzer Komödie um die Ängste eines Heranwachsenden wie eine Horde Irrer. Die Geschwister sind geistig zurückgeblieben, der Großvater ist ein cholerischer dirty old man, und der ständig fressende Vater verabreicht einmal in der Woche an sämtliche Familienmitglieder Abführpillen – eine Szene, die an die Ausgabe von Oblaten beim Abendmahl in der Kirche erinnert. Also erträumt sich der Junge lieber eine lichte Existenz als Léolo aus Italien und stellt sich dazu vor, wie seine Mutter einst von einer mit Sperma kontaminierten Tomate aus Sizilien befruchtet wurde. Den ganzen Wahnsinn fasst Regisseur Lauzon in ruhige – häufig mit einer Erzählerstimme aus dem Off überlagerte – Bilder, die mit ihren starken Hell-Dunkel-Kontrasten an niederländische Stillleben gemahnen. Licht gibt es nur in Léolos Fantasie: Immer wenn die sizilianische Nachbarstochter Bianca auftritt, wird die Stimmung hell, die Landschaft freundlich und die Musik italienisch. Doch das makabre Ende kommt garantiert.

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„Dirty Harry“, „Flucht von Alcatraz“ 2. 6., 4. 6. im Filmkunsthaus Babylon 1

Eine hübsche Doppelretrospektive widmet das Filmkunsthaus Babylon Clint Eastwood und seinem Mentor Don Siegel im Juni. Fünfmal trat Eastwood in Siegel-Filmen auf, darunter in Klassikern wie dem Gefängnisausbruch-Thriller „Escape from Alcatraz“ (1979) und „Dirty Harry“ (1971), einem der wichtigsten Polizeifilme der 70er-Jahre. Geschickt verwendet Siegel in „Dirty Harry“ Eastwoods Zyniker-Image aus Leones berühmten Italo-Western und überträgt es in das urbane Setting von San Francisco: Hier kaut Clint nun nicht mehr lässig am Zigarrenstummel, sondern am Hot Dog, während er mit der 44er Magnum beiläufig ein paar Bankräuber erschießt. Und dass Polizeiinspektor „Dirty Harry“ Callahan zuerst schießt und dann fragt, ist sowieso eine Selbstverständlichkeit. Harrys alttestamentarisches Moralverständnis und seine zum Teil fragwürdigen Methoden, mit denen er einen Killer jagt, der mit wahllosen Morden versucht, die Stadt zu erpressen, forderten die zeitgenössische Kritik, die den Film als reaktionäre Apologie der Selbstjustiz verstand, förmlich heraus. Die Wirkungsgeschichte des Films wird auch bei der Veranstaltung am 4. Juni diskutiert werden, wenn die Filmjournalisten Frank Arnold und Michael Esser ihr neues Buch über Don Siegel vorstellen.

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„Léolo“ 30. 5. im Freiluftkino Naturtheater Friedrichshagen

Ein wenig bekanntes Musical mit dem großen Fred Astaire: „Broadway Melody of 1940“ (Regie: Norman Taurog) erzählt eine Geschichte vom Aufstieg und von der freundschaftlichen Rivalität zweier Tänzer. Mit Eleanor Powell steht Astaire dabei in den brillanten Choreografien die beste Stepptänzerin als Partnerin zur Seite, die das klassische Hollywood zu bieten hatte. LARS PENNING