Bremen 2010: Pleite oder gerettet?

Dieser Tage wird das Geld für 2004 und 2005 verteilt. Beschwörer eines verfassungskonformen Haushalts werden still. Über die Sanierung der Bremer Staatsfinanzen diskutieren Karoline Linnert (Die Grünen) und Cornelia Wiedemeyer (SPD)

taz: Wenn wir 2010 auf zehn Jahre Sanierung zurückblicken – was würden wir sagen?

Karoline Linnert (Die Grünen, Vorsitzende des Haushaltsausschuss der Bürgerschaft): Eine zum Teil vom Volk gewählte Gruppe älterer Herren hat sich eine nette Lebensphase gegönnt, viele Träume verwirklicht. Sie konnten ein paar Jahre lang richtig Geld ausgeben, und ein willfähriges Parlament hat ihnen fast alles bewilligt.

Die älteren Herren sind die derzeit regierenden Politiker?

Linnert: Ja, assistiert von Herren wie Ulrich Keller (Chef der Bremer Investitionsgesellschaft; d.Red.), Frank Haller (Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts BAW; d. Red.) und Günther Dannemann (ehemaliger Finanzstaatsrat; d. Red.). Und der Handelskammer.

Wurde Bremen wenigstens schick gemacht?

Linnert: Bei der Sanierung geht es eigentlich um die Staatsfinanzen. Die Finanzlage wird im Jahre 2010, wenn nicht ein Wunder passiert, genauso verheerend sein wie heute. Vielleicht wird man aber sagen: Eine clevere Regierung, der sowieso klar war, dass Bremens staatliche Eigenständigkeit nicht zu retten war. Bremen wurde schön gemacht.

Ist das ein realistischer Rückblick aus dem Jahre 2010?

Wiedemeyer (finanzpolitische Sprecherin der SPD): Nein, das ist düstere Zukunftsmalerei. Ich glaube, es wird viele Menschen geben, die im Bereich der Universität und in Technolopolis-Projekten moderne Arbeitsplätze gefunden haben. Bremen wird städtebaulich saniert sein, attraktiv für Touristen, von der Schlachte kann man bis Gröpelingen die Stadt am Fluss erleben. Und man wird erkennen, dass die Sanierungsstrategie „Investieren und Sparen“ auch Erfolge zu verzeichnen hat, vielleicht nicht so viele wie anfangs erhofft. 2010 wird man aber auch feststellen, dass man noch nicht am Ende des Weges ist.

Wie wird es um die Staatsfinanzen im Jahre 2010 stehen?

Wiedemeyer: Meine Vorstellung ist, dass es im Jahre 2010 gelingen kann, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen, also die laufenden konsumtiven Ausgaben aus eigenen Einnahmen zu decken.

Und was ist bis dahin?

Wiedemeyer: 2010 könnte man das schaffen. Bis dahin brauchen wir weitere Hilfen.

Linnert: Das ist illusorisch. Die Koalition hat sich von dem Wunschdenken, dass die weiteren Hilfen jedes Jahr fließen, intern schon verabschiedet. Man redet beim „Kanzlerbrief“ nur noch über 2005. Und es gibt keinen Hinweis darauf, wie man die Deckungslücke von jährlich 500 Millionen Euro schließen könnte. Diese Lücke ist etwa so groß wie zu Beginn des Sanierungszeitraumes vor zehn Jahren, trotz der großen Spar-Anstrengungen. Und die Belastungen durch die Zinsen steigen ab 2005 wieder von Jahr zu Jahr. Bremen muss einräumen, dass wir es auf der Basis einer ungerechten Finanzverteilung zwischen den Ländern nicht schaffen können. Es muss eine neue Verfassungsklage vorbereitet werden.

Ein Gutachten im Auftrag des damaligen CDU-Finanzsenators hat das vor zwei Jahren auch schon gesagt – ohne dass es veröffentlicht wurde. Kannten Sie das Papier?

Wiedemeyer: Nein, ich habe es auch erst jetzt bekommen. Es ist sehr erstaunlich, dass der Finanzsenator – wenn er denn dieses Gutachten vorliegen hatte – damit nichts unternommen hat. Damals wurde über das Finanz-Ausgleichs-Gesetz beraten. Damals wurde die Finanzverteilung bis 2019 vom Bundestag in einem Gesetz festgeklopft.

Linnert: Mit Zustimmung Bremens!

Die Wissenschaftsinvestitionen können sich nur sehr langfristig auszahlen, kurzfristiger sollten die Tourismus-Investitionen in Bremen wirken. Was ist in zehn Jahren aus dem Space Park geworden?

Wiedemeyer: Gute Frage. Man kann nur hoffen, dass die Besitzer der Immobilie noch eine zündende Idee haben, was sie aus dem Shopping-Teil machen können. Fragen: Klaus Wolschner