berliner szenen Pizza Würzfleisch

DDR-Küche, jetzt anders

Ihren vorläufigen Höhepunkt hat die Welle der Ostalgie nun in Weißensee erreicht. „Wir sind der Meinung, dass man 40 Jahre Geschichte nicht einfach so vergessen darf“, verkünden die Inhaber des neu eröffneten Restaurants Osseria und versprechen, „bewährte ostdeutsche Küche mit neuen Ideen“ zu verknüpfen. Natürlich finden sich auf der Karte Klassiker wie Würzfleisch – das vor 25 Jahren, wie eifrige Alltagshistoriker mittlerweile herausgefunden haben, bereits Fidel Castro bei Staatsbesuch als „Pastete mit feinem Ragout“ serviert wurde. Senfeier und Schweinegulasch lassen darüber hinaus zart duftende Erinnerungen an volkseigene Kantinen wach werden, während Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl an den Charme der Nachkriegsküche erinnern, den die DDR-Gastronomie sich bis zu ihrem Ende bewahrt hat.

Bis zu ihrem vorläufigen Ende, muss man wohl sagen. Die Osseria hat sich nämlich vorgenommen, diese Geschichte ganz im marxschen Sinne als Geschichte der Klassengegensätze fortzuschreiben und kombiniert die proletarische Speisegewohnheiten der Arbeiterklasse mit den kulinarischen Vorlieben der Bourgeoisie. So treffen auf der „Pizza Soljanka“ feine italienische Küche und grobe Wurstreste aufeinander, und die „Pizza Würzfleisch“ ermöglicht in einer beispiellosen Kombination aus Fetten und Kohlenhydraten maximale Kalorienaufnahme.

Von Michael Rutschky stammt der Satz, dass die Wiedervereinigung erst dann vollzogen ist, wenn in Rügen frisch geriebener Parmesan zum Essen gereicht wird. Gegen diese Art von schleichendem Kulturimperialismus hat die Osseria in Weißensee mit Gerichten wie „Pizza Dresden und „Lasagne Marzahn“ nun einen Brückenkopf eingerichtet.

KOLJA MENSING