Heute gehn wir auf die Straße

Von Ver.di bis Attac, von katholisch bis autonom: Veranstalter des „Europäischen Aktionstags gegen Sozialabbau“ hoffen auf hunderttausendfachen Protest zwischen Ku’damm, Alex und Pariser Platz

VON WALTRAUD SCHWAB

Der heutige Samstag ist wie gemacht fürs Protestieren, Neinsagen, Aufmucken, Widersprechen, Buhen und Pfeifen. Kurz: Demonstrieren ist angesagt. Die Boulevards der Stadt bieten sich dafür als Plattform an. Hunderttausende wollen die Gelegenheit nutzen, im Rahmen des „Europäischen Aktionstages gegen Sozialabbau“ ihren Unmut über die Politik der rot-grünen Bundesregierung rund um das Brandenburger Tor kundzutun.

Für die, die noch nicht wissen, warum es auch sie dorthin treiben soll, hier noch einmal die Argumentationen der Veranstalter: Demonstriert wird „gegen den Abbau des Sozialstaats und gegen die Verschlechterung der Gesundheitsversorgung sowie der Bildung in Deutschland“. Protestiert wird „gegen die ungerechte Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen, sowie gegen den Arbeitsplatzabbau und die Rentenkürzungen“. Ausgepfiffen werden Politiker, die Jugendeinrichtungen, Schulen, Behinderten- oder Frauenprojekten und kommunalen Kultureinrichtungen das Geld streichen, sich aber nicht an die Streichung von Subventionen im Steinkohlebergbau heranwagen und für die auch der Braunkohletagebau in Brandenburg und Sachsen nach wie vor eine heilige Kuh ist. Widersprochen wird Staatsmännern, die die Gewerbesteuer abschaffen, das Kerosin für Flugzeuge steuerlich begünstigen, gleichzeitig aber überlegen, ob die Mehrwertsteuer nicht doch erhöht werden müsste. Protestiert wird des Weiteren gegen eine Politik der kapitalistischen Globalisierung, die ein Ungleichgewicht schafft zwischen den Gewinnmaximierungen der großen Konzerne und der Zerstörung lokaler ökonomischer und ökologischer Infrastrukturen.

Allen Berliner und Berlinerinnen, denen diese Ausführungen noch nicht reichen, um sich dem Protest anzuschließen, werden in den Demonstrationsaufrufen weitere nachgeliefert. Denn hier in der Hauptstadt ist es einer kleinen Hand voll Shakers und Makers gelungen, das Gemeinwesen nachhaltig zu stören. Der „Bankenskandal“ ist das Schlüsselwort. Berlin ist so verschuldet, dass heute ganz offiziell von einer „außergewöhnlichen Haushaltnotlage“ gesprochen wird. Zu verantworten haben dies ein paar Politiker, Banker und Manager.

Ein breites Bündnis von gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen ruft zur Demonstration auf. Neben den Gewerkschaften – allen voran der DGB, Ver.di und die IG Metall – auch kirchliche Einrichtungen wie die katholische Arbeitnehmerbewegung. Der Deutsche Frauenrat und die Volkssolidarität unterstützen den Protest, Jugendorganisationen wie Jusos und Falken ebenso. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac ist mit von der Partie und das „Berliner Bündnis gegen Sozial- und Bildungsraub“, das seit einigen Wochen ein Volksbegehren für Neuwahlen in Berlin propagiert. Studierendenverbände, Arbeitslosenzentren und autonome linke Gruppen, die „alles für alle“ fordern, laufen mit.

Demonstrationsteilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet kommen nach Berlin. In 1.600 Bussen und mehreren Sonderzügen sind sie angereist. Laut DGB haben sich ganze Belegschaften angemeldet. Die Polizei hat bereits großräumige Sperrungen rund um die Siegessäule im Tiergarten angekündigt. Entlang der Straße des 17. Juni sollen Parkflächen für die Busse freigehalten werden. Das Gleiche gilt für die Frankfurter Allee und die Alexanderstraße. Die Berliner sind aufgefordert, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.

In drei Zügen führen die Demonstrationen zum Brandenburger Tor. In der City West treffen sich die Protestierenden an der Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz. In der Ostcity startet der Zug am Alexanderplatz. Die Auftaktveranstaltungen sind bereits für 10 Uhr geplant. Losmarschiert werden soll etwa eine Stunde später. Die dritte Route beginnt am Gendarmenmarkt und eignet sich, da am kürzesten, besonders für Spätaufsteher, Schnellentschlossene und solche, die ungern zu Fuß gehen. Die zentrale Abschlusskundgebung soll bereits gegen 12 Uhr am Brandenburger Tor anfangen. Neben Rednern der Gewerkschaften werden auch der Generalsuperintendent der evangelischen Kirche sowie Vertreter von Attac und den Hochschulen sprechen.

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