ARIEL SCHARONS DROHUNG AN JASSIR ARAFAT NUTZT BEIDEN
: Gegenwind für moderate Kräfte

Die Warnung Ariel Scharons, auch Palästinenserpräsident Jassir Arafat sei „nicht immun“ gegen die so genannten präventiven Exekutionen, ist nicht mehr als ein weiterer Zug im politischen Überlebenskampf des israelischen Regierungschefs. Für einen Tag zumindest gelang es ihm, die Aufmerksamkeit von der in einer Schmiergeldaffäre drohenden Anklage gegen ihn abzulenken. Der Ruf der rechtsnationalen Koalitionspartner, die seit Jahren ein Ende Arafats fordern und gleichzeitig zum Rücktritt Scharons aufrufen, solange die Korruptionsaffäre nicht geklärt ist, verstummen vorübergehend. Atempause für den Regierungschef.

Jeder weiß, dass sich Arafat sicher fühlen kann, solange das Weiße Haus Israel nicht das Okay für Operationen gegen ihn erteilt. Das wird bis zu den Wahlen in den USA nicht passieren. So bleiben Scharons Drohungen Worte, denen zwar keine Taten folgen, die aber doch aus Sicht des Regierungschefs Sinn machen. Einmal mehr ist Arafat gut genug, um seine innenpolitische Position zu stärken. Ähnlich spielt umgekehrt Scharon mit seinen leeren Drohungen Arafat in die Hände. Musste der Palästinenserpräsident machtlos zusehen, wie ihm die Sympathie der Palästinenser entweicht, die sich nach der Hinrichtung von Scheich Ahmed Jassin der Hamas und dem islamischem Fundamentalismus zuwandten, so findet er sich jetzt wieder vereint im Lager der großen Feinde Israels, die offiziell Militäroperationen fürchten müssen. Gerade in den vergangenen Tagen reihten sich zahlreiche militante Aktivisten der Fatah-nahen Al-Aksa-Brigaden in die Kampfgruppen der Islamisten ein. Wenn der eigene Führer bedroht ist, mag das zum erneuten Umdenken motivieren.

Verlierer der verbalen Eskalation ist das moderate Lager sowohl im palästinensischen Regierungsquartier als auch in der Bevölkerung. 70 zumeist Intellektuelle gingen, der Exekution des Scheichs folgend, mit einem seltenen Aufruf gegen die Gewalt auf beiden Seiten an die Öffentlichkeit. Ihre Unterschriftenaktion hat mit Scharons Morddrohung gegen Arafat heftigen Gegenwind bekommen. SUSANNE KNAUL