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: Brüsseler Angriffe formen ganz große Volkswagen-Koalition

Das CDU/FDP-regierte Niedersachsen ist dabei, die rot-grüne Bundesregierung und auch die Gewerkschaft in Gestalt des Gesamtbetriebsrats der Volkswagen AG: Eine ganz große Koalition verteidigt derzeit das VW-Gesetz und damit jene Schwelle von 20 Prozent, auf die das aus dem Jahr 1960 stammende Gesetz das Stimmrecht von VW-Einzelaktionären begrenzt.

EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein kristisiert die Stimmrechtsbegrenzung bereits seit langem. Er konnte diese Woche ein Ultimatum der gesamten EU-Kommission durchsetzen. Binnen zwei Monaten, so beschloss die Kommission, müsse die Bundesregierung in Brüssel Änderungen des Gesetzes vorschlagen. Andernfalls drohe eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.

Das Land Niedersachsen besitzt als größter Einzelaktionär rund 18 Prozent aller VW-Aktien. Die von der EU monierte Bestimmung, wonach kein VW-Einzelaktionär mehr als 20 Prozent der Stimmrechte ausüben kann, gilt für staatliche und private Anteilseigner. Sie sorgt dafür, dass das Land auf der VW-Hauptversammlung auch von einem größeren Aktionär, den es bislang nicht gibt, kaum überstimmt werden könnte. Solche Stimmrechtsbegrenzungen gibt es allerdings auch anderswo, ohne dass sie dort als wettbewerbswidrig angesehen werden.

Niedersachsen kritisiert das von Bolkestein initiierte Ultimatum denn auch als „unverständlich“. Bislang habe der EU-Kommissar „nicht konkretisieren können, durch welche der für sich genommen jeweils zulässigen Regelungen im VW-Gesetz die Kapitalverkehrsfreiheit im Europäischen Binnenmarkt verletzt sein könnte“. Die EU-Kommission stört sich auch an dem Passus des VW-Gesetzes, der Bund und Land Sitze im Aufsichtsrat garantiert. Der Bund nimmt allerdings dieses Recht seit langem nicht mehr wahr, und dem Land ist als größtem Anteilseigner ohnehin eine Vertretung in dem Gremium sicher.

Eine in jedem Fall sichere Mehrheit im VW-Aufsichtsrat hat das Land nur zusammen mit den Arbeitnehmervertretern. Niedersachsen, IG Metall und VW-Betriebsrat können so dafür sorgen, dass bei Investitions- und Standortentscheidungen auch das Interesse an Arbeitsplätzen in Niedersachsen eine Rolle spielt. Die Anleger werden durch das VW-Gesetz nicht abgeschreckt. Laut VW-Gesamtbetriebsrat halten institutionelle Anleger aus dem Ausland gegenwärtig 34,1 Prozent der VW-Aktien. JÜRGEN VOGES