Pferde züchten statt Milch produzieren

Wenn EU-Agrarkommissar Fischler mit seiner Reform durchkommt, werden Lebensmittel teurer. Beschluss Mitte Juni

BRÜSSEL taz ■ 48 junge Bauern, die mit einer Rad-Rallye für Polens Beitritt zur Union werben wollten, erreichten die EU-Hauptstadt, als die Agrarminister gestern gerade nach Hause fuhren. Zwei Tage hatten sie über die sogenannte Halbzeitreform verhandelt, die EU-Agrarkommissar Franz Fischler festklopfen will, bevor zehn weitere Mitgliedsländer Ansprüche auf die Agrarbeihilfen aus Brüssel anmelden können.

„Die überwältigende Mehrheit der Staaten will nächsten Monat zum Abschluss kommen“, erklärte ein gut gelaunter Fischler gestern nach der Ratssitzung. Beim Agrarrat am 11. und 12. Juni in Luxemburg soll das Paket geschnürt werden. Ziel der Kommission ist es, die Zahlungen aus Brüssel schrittweise von der produzierten Menge der Lebensmittel abzukoppeln und so Überproduktion und Preisverfall zu stoppen und gleichzeitig den Forderungen der Welthandelsorganisation (WTO) nachzukommen, die das europäische System der Produktsubventionierung schon lange im Visier hat. Fischler ist für Kompromissvorschläge und lange Übergangsfristen offen, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: Das neue System muss überschaubarer sein als das alte. Es muss den Forderungen der WTO entsprechen. Und es muss sicherstellen, dass Bauern künftig Produkte herstellen, weil sie auf dem Markt gefragt sind, nicht weil es dafür Prämien gibt.

Die Bundesregierung kann sich mit vielem anfreunden, was die Kommission in ihren Reformvorschlag geschrieben hat. Sie möchte allerdings die von Fischler angeregte Betriebsprämie durch eine Flächenprämie ersetzen. Je nach Größe der bewirtschafteten Fläche würde dann von Mecklenburg bis ins Allgäu derselbe Fördersatz gezahlt. Weideflächen sollten einen Aufschlag erhalten, um diese ökologisch gewünschte Form der Kulturlandschaft zu fördern. Renate Künast hat Vorbehalte gegen eine Betriebsprämie, weil damit die Finanzspritze an den Besitz und nicht an die Bewirtschaftung gebunden wäre. „Sofabauern“ könnten das Geld einstecken, ohne Landschaftspflege und Nahrungsmittelproduktion zu gewährleisten.

Der grüne Europa-Abgeordnete Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf hält diese Sorge für übertrieben. Auch die Betriebsprämie könnte schließlich an die Auflage gebunden werden, die entsprechende Kulturleistung zu erbringen. Die Preise für Lebensmittel würden nach der Reform steigen, glaubt er. „Denn wer vorher eine Milchprämie bekam, kann nun für die gleiche Fördersumme auch Pferde züchten.“ Damit ein Milchbauer weiterhin die Kühe melkt, müsse der Preis stimmen – mit dem derzeitigen Dumping im Lebensmittelsektor, wo nur der Handel verdient und die Erzeugerpreise unter die Produktionskosten von Brüssel subventioniert werden, sei dann Schluss.

DANIELA WEINGÄRTNER