Besatzungsmächte behalten Heft in der Hand

Bildung einer Interimsregierung ist zurückgestellt. Irakische Politiker sehen sich ihrer Einflussmöglichkeiten beraubt

Der Vorwurf: Mitwirkung der UNO am Wiederaufbau verstärke die Bürokratie

BAGDAD taz ■ Der letzte Woche gefasste UN-Beschluss zur Aufhebung des mehr als zwölfjährigen Embargos hat im Irak widersprüchliche Reaktionen hervorgerufen. Während der irakische Dinar einen deutlichen Kursgewinn verzeichnen konnte, haben Politiker teils harsche Kritik an der Resolution geübt. Sie bemängeln vor allem, dass die Regierungsgewalt bis auf weiteres in den Händen der angloamerikanischen Allianz liegt und nicht, wie ursprünglich geplant, schon bald an eine irakische Interimsregierung übertragen wird.

In einer Sondersitzung beschloss die so genannte Gruppe der Sieben, die sich zu einer Koalition zusammengeschlossen haben, formell Protest gegen die Verschiebung der Regierungsbildung einzulegen. Das Begehren der Hohen Rats für die Islamische Revolution im Irak (Sciri), mit Demonstrationen Druck auf die Allianz auszuüben, fand allerdings kein Gehör. Statt dessen will man nun Delegationen nach Washington und London entsenden und sich bei den dortigen Regierungen Gehör verschaffen.

Bis zur Übergabe der Regierungsgewalt an eine repräsentative Regierung sieht der UN-Beschluss lediglich die Bildung einer irakischen Übergangsverwaltung unter der Ägide Washingtons und Londons vor. „Ohne eine Regierung lassen sich weder die drängenden Sicherheitsprobleme lösen noch lässt sich die Verwaltung in Gang bringen“, kritisierte ein Vertreter des Irakischen Nationalkongresses (INC). In mehrwöchigen Verhandlungen unter US-Beteiligung hatten der INC, der Sciri, die islamische Dawa-Partei, die beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK und der Zusammenschluss ehemaliger Offiziere Wifaq sowie der Chef der Nationaldemokratischen Partei, Nasir Jadirji, die Bildung einer Koalitionsregierung beschlossen. Auf einer für Ende des Monats in Bagdad geplanten Konferenz sollte dieser Kreis erweitert und eine Art Übergangsparlament aus Notabeln, Repräsentanten von religiösen und ethnischen Minderheiten und Berufsständen sowie Stammes- und Parteivertretern aus der Taufe gehoben werden, das dann die allgemeinen Wahlen in spätestens zwei Jahren vorbereiten sollte. So war der Planungsstand vor dem Eintreffen des neuen Leiters der amerikanischen Wiederaufbaubehörde, Paul Bremer, und der UN-Resolution.

Gemäß der Übereinkunft sollten auch die verschiedenen Gruppen paritätisch an den neu zu bildenden Sicherheitskräften beteiligt werden. Zwar sollten diese dem Kommando der Allianz unterstellt werden, doch wären sie damit unweigerlich zum Spielball politischer Partikularinteressen geworden. Wohl nicht zuletzt deshalb hat Paul Bremer den Prozess der Regierungsbildung zurückgestellt und die Einrichtung einer funktionierenden Verwaltung unter technokratischen Prämissen in den Vordergrund gerückt.

Das birgt freilich das Risiko, dass politische Gruppierungen das Machtvakuum nutzen, um aus dem tief sitzenden Misstrauen gegen die Amerikaner und Briten, deren langjährige Unterstützung für das Saddam-Regime nicht vergessen ist, Kapital zu schlagen. Mit einer gehörigen Portion Populismus versuchen der Sciri und andere Islamisten bereits jetzt, ihre Anhängerschaft zu mehren, indem sie antiamerikanische Ressentiments schüren.

So weit will man beim INC freilich nicht gehen. „Wir sind Verbündete der USA, und das werden wir auch bleiben“, sagt der INC-Pressesprecher Intifad Kanbar. „Aber wir werden deshalb nicht auf unsere Rechte verzichten.“ Verstimmt ist man beim INC vor allem darüber, dass die UNO nun doch eine Rolle beim Wiederaufbau des Landes spielen wird. Das verstärke nur die Bürokratie, die mit der angloamerikanischen Koalition schon kompliziert genug sei, sagt der INC-Sprecher. In diese Kerbe schlagen auch die kurdischen Parteien, die den UN-Organisationen ihm Rahmen des bisherigen „Oil for food“-Programms grobe Misswirtschaft vorwerfen. Zudem befürchten sie, dass bereits geplante Projekte auf Eis gelegt werden und Kurdistan seinen bisherigen Anteil von 13 Prozent an den Öleinkünften verliert. Gemäß der neuen Resolution gehen sämtliche Erlöse aus den Ölverkäufen wie auch die eingefrorenen irakischen Guthaben an einen Entwicklungsfonds, der die Ausgaben überwacht. Das gilt auch für die noch nicht ausgegebenen Beträge aus dem „Oil for food“-Programm in Milliardenhöhe, das in sechs Monaten endet.

Das UN-Programm hatte aber in den vergangenen Jahren maßgeblich zum Aufschwung der Kurdenregion beigetragen. Während der Rest des Landes immer mehr in Armut versank, ist es den kurdischen Behörden gelungen, den Wiederaufbau der fast völlig zerstörten Infrastruktur zu bewerkstelligen.

In Opposition zur angloamerikanischen Koalition wollen jetzt aber auch KDP und PUK nicht gehen. „Wir brauchen ihre Unterstützung beim Wiederaufbau des Landes“, sagt Schirwan Dizaji von der KDP. INGA ROGG