Wende in Terrorprozess

Hamburger OLG erwägt Einstellung des Motassadeq-Verfahrens. Entscheidung über Haftentlassung Montag

HAMBURG afp/rtr ■ In dem neuen Gerichtsverfahren gegen den wegen der Anschläge vom 11. September 2001 verurteilten Mounir al-Motassadeq zeichnet sich eine Wende ab: Das Hamburger Oberlandesgericht brachte gestern bei einem Haftprüfungstermin eine Einstellung des Verfahrens gegen den 29-jährigen Marokkaner ins Gespräch.

„Das Gericht bezweifelt, dass ein faires Verfahren noch möglich ist“, sagte Motassadeq-Verteidiger, Josef Gräßle-Münscher. Gleichzeitig legte die Bundesanwaltschaft nach Angaben der Verteidiger neue Beweise vor. Es handelt sich demnach um einen abgefangenen Brief und ein mitgeschnittenes Telefonat des seit 2001 flüchtigen Terrorverdächtigen Said Bahaji. Darin finden sich laut Gräßle-Münscher jeweils Äußerungen, die Motassadeq nach seiner Einschätzung vom Vorwurf entlasten, der Hamburger Terrorzelle angehört zu haben. In dem Brief sei er wörtlich erwähnt. Nach Darstellung des Anwalts wollte das Hamburger Oberlandesgericht gestern noch nicht über die beantragte Haftentlassung entscheiden, sondern voraussichtlich erst am Montag. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Urteil gegen Motassadeq am 4. März aufgehoben und zur Neuverhandlung nach Hamburg zurückverwiesen. Der BGH begründete die Entscheidung mit einer mangelhaften Beweiswürdigung des Hamburger Gerichts. Das OLG hatte Motassadeq am 19. Februar 2003 wegen Beihilfe zu 3.066 Morden und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Höchststrafe von 15 Jahren verurteilt.