Bahrenfeld ist heute vergessen

Traditionspflege gehört zum Fußball wie die Salzstangen zum Bier. Um so erstaunlicher, dass im Industriegebiet Bahrenfeld – dort, wo der Marlowring in den Rondenbarg mündet – auch hundert Jahre nach dem historischen Tag noch keine Gedenkplakette zu finden ist. Es sei denn, der DFB oder der Bürgermeister von Leipzig bringen heute Nacht eine an.

Da, wo jetzt Metalle veredelt, Küchenmöbel umgeladen und Nobelkarossen ausgestellt werden, hat nämlich am 31. Mai 1903, dem Pfingstsonntag, der erste Deutsche Fußballmeister seine Trophäe gewonnen, vor etlichen hundert Zuschauern auf dem Kleinen Exerzierplatz im damals preußischen Altona.

Herausgefunden hat das Andreas Meyer. Der Stellinger gehört zu der Community von Kennern, für die Fußball- und Regionalgeschichte zusammen gehören und die dafür auch schon mal intensiv alte Stadtpläne studieren. Auf einem davon fand er sich, der „Alte Exerzier Platz Turner Rasen“.

Meyer hatte mehr Erfolg, als dem Bremer Siegfried Lörcher beschieden war. Der schrieb jüngst an den Hamburger Sportbund und das Bezirksamt Altona, fragte nach etwaigen Erinnerungsfeiern und deren Ort – ohne Erfolg. Dabei war der Kleine Exerzierplatz, auch Exerzierweide genannt, der zentrale Platz sämtlichen Spielgeschehens im Hamburg-Altonaer Fußball-Bund (HAFB), der schon ab 1895/96 Meisterschaften austrug. Weil die Vereine noch nicht über eigene Plätze verfügten, kickte die ganze Liga sonntags auf dem Bahrenfelder Gelände. Dänemark, einst selbst Territorialherr, trug sein erstes (inoffizielles) Länderspiel dort gegen den HAFB aus.

Manchmal ist Fußball am Marlowring noch akustisch präsent, wenn der Wind richtig steht, denn dann befindet sich das HSV-Volksparkstadion in Hörweite. JENS PRÜSS