Roten Hähnen schwellen die Kämme

Nach Heidi Knake-Werner trauen sich jetzt die anderen PDS-Senatoren aus der Deckung. Flierl: „Airportausbau nur, wenn er sich trägt“. Harald Wolf wünscht „eine gewisse Verschwendung im Hochschulbereich“. SPD-Chef Strieder springt Wowereit bei

von ROBIN ALEXANDER

Die Kritik am Regierenden Bürgermeister reißt nicht ab. Kultursenator Thomas Flierl (PDS) warnte gestern vor weiterem Sozialabbau und nahm gleichzeitig die Kritik am Führungsstil Wowereits auf. „Es muss Aufgabe des Regierenden Bürgermeisters sein, gemeinsam mit seinen Fachsenatoren der Bevölkerung stärker als bisher eine ausgewogene Gesamtpolitik zu präsentieren. Sparen allein reicht nicht aus.“

Am Mittwoch hatte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) im Interwiew mit dieser Zeitung geplante Kürzungen bei den Sozialausgaben kritisiert und als erstes Senatsmitglied die öffentliche Finanzierung eines Großflughafens in diesen Zusammenhang gestellt. In dieselbe Kerbe schlug gestern auch Flierl: „Ein Ausbau des Airports Schönefeld ist nur denkbar, wenn er sich wirklich wirtschaftlich trägt.“

Auch das dritte sozialistische Regierungsmitglied, Wirtschaftssenator Harald Wolf, kritisierte den Koalitionspartner. In einem Vortrag am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität erklärte Wolf: „Im Hochschulbereich wäre eine gewisse Verschwendung wünschenswert.“ Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hatte für eine Reduzierung des Lehrangebots plädiert.

Der Unmut der PDS-Politiker, der nun an die Oberfläche kommt, speist sich aus mehreren Quellen. Wolf ist vor allem sauer, weil Wowereit das gemeinsam vereinbarte Sparziel, 2 Milliarden Euro bis 2006, ohne Absprache aufkündigte. Das von Wowereit durchgesetze Verfahren, die Etats einzeln zu durchforsten, hält Wolf für wenig praktikabel. Sozialsenatorin Knake-Werner fürchtet Sozialabbau. Am Mittwoch trafen sich Knake-Werner und Sarrazin zu einem so genannten Chefgespräch über den Sozialetat. Dabei konnten viele Differenzen nicht ausgeräumt werden. Kultursenator Flierl ärgerte sich über die von Sarrazin vorgeschlagene Streichung der Zuschüsse für Berliner Ensemble und Schaubühne.

Auf die Kritik am Führungsstil Wowereits, die in dieser Woche vor allem aus den Reihen der SPD geäußert wurde, reagierte am Donnerstag Parteichef Peter Strieder: „Offenbar meinen einige in der SPD, wegen des Zustands der CDU könne es sich die SPD leisten, so zu verfahren.“ Kritik an Wowereit gehöre jedoch in die Gremien der Partei. Dort sei sie bisher nicht geäußert worden.

Auch die Opposition schaltete sich in den rot-roten Streit ein. Überraschend griffen die Grünen nicht Wowereit, sondern seine rebellierende Sozialsenatorin an. Oliver Schruoffeneger, grüner Haushaltsexperte, erklärte: „Geradezu absurd wird es, wenn Knake-Werner den Flughafen gegen Sozialleistungen ausspielt. Die Zukunftsinvestitionen sind unverzichtbar. Der Flughafen ist ein wesentlicher Faktor.“ Die FDP forderte Wowereit auf, angesichts der „Ratlosigkeit in den eigenen Reihen“ eine Regierungserklärung abzugeben.