Hans Meyer hat eine fatale Hoffnung

Hertha BSC gelingt im Heimspiel gegen Hansa Rostock ein 1:1 – dank der gütigen Mithilfe der Rostocker. Hertha-Trainer Meyer erkennt als Grund das fußballerische Vermögen seiner Elf und setzt ohne große Hoffnung auf den nächsten Versuch

VON MARKUS VÖLKER

Wenn Hertha nicht absteigen sollte, dann könnte das an Hansa Rostock gelegen haben. Ein Dankschreiben von Dieter Hoeneß nach dem letzten Spieltag wäre mehr als angebracht. Wirklich nett von euch, sollte der Hertha-Manager diktieren, ganz toll, dass eure Stürmer die Situation unseres Vereins nicht noch unnötig verschärften, insbesondere möchte ich den Spielern Max und Plasnegger danken, denn es war recht offensichtlich, dass dem völlig frei stehenden und als Knipser bekannten Martin Max der Sinn nach einem Gastgeschenk stand, und auch Gernot Plasnegger zeigte wohltätige Milde, als er unseren Torwart Christian Fiedler clever ausgespielt hatte und das leere Tor um drei Meter verfehlte. Das interpretiere ich als einen Akt der Solidarität, den es in der Ellenbogengesellschaft Bundesliga nicht sehr oft gibt. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Dieter Hoeneß!

So könnte es aussehen, das Dankesschreiben. Wenn es denn überhaupt dazu kommt, denn Hansas Hauptstadthilfe belief sich ja nur darauf, Hertha einen Punkt zu schenken. Ein Unentschieden – mehr war’s nicht, worauf das Benefizspiel hinauslief. Das hatte seine Gründe. Auch Rostock muss sich noch ein wenig gegen den Abstieg stemmen. Doch nach 16 Punkten in der Rückrunde wird die Anstrengung nicht allzu groß.

Im Gegensatz zur Hertha, die immer noch auf Platz 17 hängt und die Zeit verrinnen sieht. Noch sind sieben Spiele zu absolvieren, drei davon gegen unmittelbare Abstiegskonkurrenten, faktisch sind 21 Punkte zu holen.

Aber derlei Hochrechnungen stellen nicht mal mehr verblendete Hertha-Fans an. Es geht nach diesem Spiel mehr denn je um den Abstieg. Hertha ist auf ein Gebiet vorgestoßen, auf dem es schlimme Sogwirkungen gibt, also mysteriöse Kräfte, die den Verein nach unten ziehen. Wie kann sich Hertha BSC dem Unausweichlichen jetzt noch entziehen? Trainer Hans Meyer weiß darauf keine befriedigende Antwort: „Es liegt nicht am Willen, sondern am momentanen fußballerischen Vermögen.“ Was heißt das? Dass Hertha endlich kämpft, aber nichts mit dem Ball anfangen kann? Dass Kampf allein nicht reicht, um sich dem Abstiegssog zu entziehen? Dass das fußballerische Vermögen bald schon zurückkehrt?

Meyer hatte bereits Tage nach seiner ersten Sichtung des Kaders böse Ahnungen verbreitet. Erst durch die Blume, später immer unverhohlener. Das Team schien ihm nicht gewappnet für eine schwere Aufgabe wie den Klassenerhalt. Damals hat das jeder als Meyer’sche Koketterie abgetan, die zu seinen Inszenierungen gehört. Mochte Meyer anfangs vielleicht noch an seine fachlichen Fähigkeiten geglaubt haben, an Glück, die Mächte des Schicksals und höhere Fügung, so mischt sich jetzt in seine Sätze eine Prise Fatalismus: „Wir haben wieder einmal den Geist geweckt, der uns getötet hat.“ Hertha brachte es wieder nicht fertig, 90 Minuten konstant zu spielen und die Anweisungen des Trainers umzusetzen. Sein Team habe sich zu tief fallen und den Gegner kommen lassen. „Absolut souverän“ habe Hertha, sagte Meyer, nur 25 Minuten in der ersten Halbzeit agiert.

Gästetrainer Juri Schlünz schien von der Souveränität Herthas nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Seine Mannschaft kam mit dem festen Vorsatz aus der Kabine, „hier den Sieg zu holen“. Eine Einzelleistung des Stürmers Magnus Arvidsson reichte für den Ausgleich. Arvidssons Flanke verwertete Thomas Rasmussen in der 65. Minute. Zuvor hatte sich Roberto Pinto (59.) in einem Gewühl vorm Hansa-Kasten zum Tor gestochert. Irgendwie hatte Pinto die Pike an den Ball gebracht.

„Wir müssen das wieder mal schnell abhaken und den nächsten Versuch starten“, sagte Meyer. Weil er wohl ahnte, dass sein Hinweis auf fehlendes fußballerisches Vermögen nichts anderes als eine schallende Ohrfeige für das Team war, versuchte er die Schelle abzuschwächen. „Ich nehme die Aussage zurück und sage jetzt: Die Mannschaft hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles gebracht.“

Nächste Woche trifft sein Verein auf den VfL Wolfsburg. „Dass wir es gegen Wolfsburg besser machen, ist eine fatale Hoffnung“, sagte Meyer. Den Satz autorisierte er in dieser Fassung.