PDS-Spitze hat Konto überzogen

Die PDS stimmt mit Dreiviertelmehrheit gegen Studienkontenmodell ihres Wissenschaftssenators. Selbst die Gewinner sind darüber nicht ganz glücklich. Nun warten neue Debatten im Senat

VON ANNA LEHMANN

Durchgefallen. Die PDS hat debattiert, votiert und entschieden: Mit ihr wird es keine Studienkonten geben. Mit einer deutlichen Mehrheit von 90 zu 31 Gegenstimmen stemmten sich die Delegierten des Sonderparteitags gestern gegen das Kontenmodell ihres Wissenschaftssenators Thomas Flierl. Der erhob sich nach der klarer Niederlage unbewegten Gesichtes: „Ich muss erst mal darüber nachdenken, was jetzt wird.“

Auch Benjamin Hoff, Autor des siegreichen Antrags gegen Studienkonten, sah nicht glücklich aus. „Ich eigne mich wohl nicht zum Parteirebellen“, erklärte der wissenschaftspolitische Sprecher der PDS und stellte sich demonstrativ hinter Flierl. Da müsse man wohl durch, meinte Wirtschaftssenator Harald Wolff. „Es wird eine schwierige Diskussion im Senat geben.“ Denn, so versicherte Parteichef Stefan Liebich, die PDS werde nun auch im Senat dem Kontenmodell nicht zustimmen.

Christian Gaebler, wissenschaftspolitischer Sprecher der SPD, hatte schon vor dem Parteitag angedeutet, dass Flierl die im Landeshaushalt 2004/2205 bereits eingeplanten 10 Millionen Euro Kontengelder wohl aus seinem Etat begleichen müsse: „Es geht nicht, dass ein Senator immer Vorschläge für dies und das macht, ohne Ergebnis.“

In einer dreistündigen Diskussion hatten die PDS-Delegierten heftig gestritten, ob Konten die Tür zum Bezahlstudium nun aufreißen oder verriegeln würden. Die Kluften gingen quer durch Partei, Vorstand und Abgeordnete. Fraktionschef Liebich war dafür, sein Vize Klaus Lederer dagegen, die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch outete sich als Befürworterin, die schulpolitische Sprecherin Siglinde Schaub als Gegnerin. Genossen bezeichneten Genossen wechselseitig als neoliberal und realitätsfern. Nervös waren alle: Flierl lauerte zusammengekauert auf seinem Sessel, Hoff war krebsrot.

Wir wollen doch alle das Gleiche, lautete die Botschaft des Wissenschaftssenators, nämlich Gebühren verhindern. Die Frage sei nur, wie. Das Konten-Modell will Flierl als Bollwerk gegen Gebühren verstanden wissen. „Mit großer Sicherheit wird das Bundesverfassungsgericht das Gebührenverbot noch in diesem Jahr kippen“, sagt der Senator, und das war eine Warnung: Dann kommt das Bezahlstudium über alle, die unvorbereitet sind.

In seinem Modell (siehe Kasten) ist vorgesehen, allen Studenten ein Punkteguthaben zur Verfügung zu stellen, mit denen sie ihr Studium bequem bestreiten können. Erst wenn das Konto leer ist, nach maximal 12 Semestern, müssen Punkte nachgekauft werden. Von Gebühren könne nicht die Rede sein, wiederholte Flierl gebetsmühlenartig. In dem Versuch, die Gegner zu besänftigen, wollte er in der Übergangszeit ab 2005 Fachsemester nur zur Hälfte anrechnen.

Zufrieden stellen ließen sich die Kontengegner dennoch nicht. Hoff sah in dem Modell eine verkappte Langzeitstudiengebühr und schlug vor, sich doch einfach an den Koalitionsvertrag zu halten. Der lehnt Studiengebühren ab. Heftig beklatscht wurde er dafür von den anwesenden Studenten. Auf Flierls Rede tröpfelte der Beifall spärlicher. Die SPD hatte sein im Herbst vorgestelltes Modell zügig für sich reklamiert, Finanzsenator Thilo Sarrazin flugs 10 Millionen Euro Kontengelder in den Haushalt eingestellt. Eine Zahl, die wie Flierl zugibt, eine geringe Rationalität besitzt.

„Die Debatte geht weiter“, sagte Liebich zum Abschluss. Die PDS hätte einiges zu bestehen. Vor der Kontenkontroverse hatte die Partei für eine progressive Hochschulpolitik gestimmt. In der Forderung nach Demokratisierung und einer viertelparitätischen Besetzung der Unigremien waren sich zumindest alle bis auf eine Gegenstimme einig.