Kleidung als Kommunikationsmittel

betr.: „Die Symbolkraft des Tuches“, LeserInnenbrief von Rebecca Jung, taz vom 1. 4. 04

Oft wird, wie im LeserInnnenbrief von Rebecca Jung, angeführt, dass zum einen die Idee, dass Frauen sich züchtig kleiden sollen, z. B. (aber nicht nur) per Kopftuch, die Männer der Verantwortung enthebt, sich im Griff zu haben. Auch sollten wir, heißt es, die Erfolge unserer Mütter und Großmütter, die sich gegen Zwang zu züchtiger Kleidung von Frauen wehrten, hochhalten – auch gegenüber dem islamischen Kopftuch. Keine Frage: Es ist ebenso verwerflich, eine splitterfasernackte Frau zu vergewaltigen wie eine Burka-tragende. Ebenso ist es wünschenswert, dass Männer unabhängig von der Kleidung in ihrem weiblichen Gegenüber zuerst den Menschen an sich sehen.

Aber eine Frau mit Minirock und Tanktop macht in der realen Welt einen anderen Eindruck als eine im Business-Hosenanzug oder eine in traditionell islamischer Kleidung. Vielleicht trägt sie ihre Kleidung so, weil sie Wind und Sonne auf der Haut spüren möchte. Vielleicht will sie aber auch das Interesse von Männern wecken und ihres an jenen kommunizieren. Kleidung ist nun mal auch Kommunikationsmittel. Wie beim Kopftuch gibt es auch beim Minirock vielfältige Motive, und auch Interesse wecken und zeigen ist schließlich keinesfalls verwerflich! Ist es dann verwerflich, wenn jemand anderes versucht, mittels Kopftuch, Abwesenheit bestimmter Interessen zu kommunizieren? Oder kann mensch das nicht ebenso einfach stehen lassen? Sicher ist die Errungenschaft, dass Frauen sich nicht sittsam kleiden müssen, zu verteidigen! Aber sollte man sittsame Kleidung, wie immer frau sie interpretiert, deshalb verbieten? Meine Mutter gehörte zu jenen, die gegen den Zwang kämpften: damals, in den 50er-Jahren, gegen das Verbot für Mädchen, an ihrer Schule Hosen zu tragen. Darauf bin ich stolz. Dennoch käme es mir recht absurd vor, deshalb Röcke zu verbieten. Und ebenso ist es mit dem Kopftuch. Jeder Zwang ist selbstredend abzulehnen. Aber wenn eine Frau den Rock gegenüber der Hose vorzieht oder ein Kopftuch tragen möchte – wo ist das Problem? SILKE KARCHER, Berlin