Straßenschlachten und Notstand

In Peru streiken Campesinos, Lehrer und Angestellte im Gesundheitswesen seit Tagen gegen die Privatisierung des Wassers und für bessere Löhne. Jetzt hat die Regierung von Präsident Toledo den Notstand ausgerufen und den Konflikt eskalieren lassen

aus Buenos Aires INGO MALCHER

Mit Straßenschlachten im ganzen Land haben die peruanischen Campesinos, Lehrer und Angestellten im Gesundheitsbereich auf den Versuch von Präsident Alejandro Toledo geantwortet, das Land per Ausrufung des Notzustands ruhig zu stellen. Bei den Auseinandersetzungen wurden mindestens 95 Demonstranten festgenommen. Seit mehreren Tagen streiken in Peru die Lehrer und Angestellten im Gesundheitswesen und der Justiz, die Campesions blockieren zahlreiche Straßen und legen damit den Verkehr in ganz Peru lahm. Überlandbusse und Lastwagen stecken schon seit über zwei Tagen an den Straßensperren fest.

Immer wieder kam es dabei zu Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften, die mindestens ein Todesopfer auf Seite der streikenden Lehrer forderten. Jetzt aber ist der Streit eskaliert, da sich viele Aufständischen dem Diktat Toledos nicht beugen wollen. Am Mittwochabend hatte der Präsident in einer Fernsehansprache für 30 Tage den Notstand ausgerufen. „Ich habe entschieden, den Streitkräften die Kontrolle zu übertragen. Auch haben wir beschlossen, die Schulen wieder zu öffnen und die Straßen zu räumen“, sagte Toledo. Im Notstand werden drei Verfassungsartikel außer Kraft gesetzt: die Bewegungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und die Unverletzbarkeit der Wohnung. Außerdem können die Streitkräfte in den Städten und Dörfern Entscheidungen fällen wie Bürgermeister.

Die Antwort der Gewerkschaftsbosse ließ nicht lange auf sich warten. Sie warfen Toledo autoritäre Methoden vor. Trotzdem fing die Streikfront an zu bröckeln. Der Verband der Campesions beschloss den Streik zu beenden – trotzdem blockieren die Campesinos an der Basis weiterhin die Straßen. Die Angestellten im Gesundheitswesen und die Lehrer streiken weiter.

Die Lehrer fordern vom Staat eine Lohnerhöhung von rund 70 Euro im Monat. Toledo aber sagt, er könne die Gehälter nur um 38 Euro erhöhen, weil die Kassen leer sind. Das wollen viele nicht verstehen. Zeigt doch Toledo sonst stolz seine Wirtschaftsbilanzen vor: 5,2 Prozent Wachstum im vergangenen Jahr, damit lag Peru 2002 weltweit in der Spitzengruppe. Auch haben viele Firmen wieder begonnen in Peru zu investieren. Aber das Land ist hoch verschuldet und so fließen viele Einnahmen direkt in den Schuldendienst.

Trotz aller wirtschaftlicher Erfolge kann Toledo nicht alle Wahlversprechen erfüllen. So hatte er im Wahlkampf lauthals die Einrichtung einer Bank für den Agrarsektor versprochen. Doch er musste feststellen, dass er auch dafür kein Geld hat. Damit bleibt es für peruanische Campesinos nahezu unmöglich, an Kredite heranzukommen. Auch fordern die Campesinos von Toledo die Senkung der Mehrwertsteuer für ihre Produkte. Aber vor allem haben sie sich zum Ziel gesetzt, die Privatisierung des Wassers zu verhindern. Auf eine Weltbank-Empfehlung hin hatte Toledo dies beschlossen.

Doch damit hat er sich an ein Gesetz aus dem Jahr 1973 gewagt, das noch nicht einmal sein autoritärer Vorgänger Alberto Fujimori angetastet hat, als er fast alle staatlichen Güter verkaufte. Per Gesetz darf in Peru niemand das Grundwasser besitzen. Für die Campesinos eine ihrer Grundlagen zum Überleben, weshalb sie weiterhin auf die Straße ziehen, obwohl ihr Verband sie zum Rückzug aufgerufen hat.

Aber Toledo hätte gewarnt sein müssen. Schon einmal hatte er in seiner Amtszeit den Notstand ausgerufen: im Juni 2002, als die beiden Elektrizitätsfirmen der Stadt Arequipa privatisiert wurden.

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