Aufbau in Afghanistan mit Waffen schaffen

Die Bundesregierung erwägt, mit Bundeswehrsoldaten den regionalen Wiederaufbau in Afghanistan zu sichern

Militärische Wiederaufbauteams könnten Warlords durch Kooperation stärken

BERLIN taz ■ Über einen Bundeswehreinsatz zum Schutz von Aufbauhelfern außerhalb Kabuls sei laut Bundeskanzler Gerhard Schröder „noch nicht entschieden“. Bedingung sei, dass die UNO diesen Einsatz wünsche und die Bundeswehr dafür die Mittel habe, sagte Schröder am Mittwoch nach einem Treffen mit Indiens Premier Atal Behari Vajpayee vor der Presse in Berlin. Die Möglichkeiten eines solchen Einsatzes würden geprüft.

Der Kanzler hatte eine solche Prüfung US-Außenminister Colin Powell bei dessen Berlin-Besuch vor zwei Wochen zugesagt und damit Planungen öffentlich gemacht, die nach taz-Informationen schon Monate laufen. Die Ankündigung bei Powells Besuch erweckte mal wieder den Eindruck, dass es weniger um Afghanistan gehe als um eine Besänftigung Washingtons.

Wie andere Regierungen, die Truppen für die auf Kabul beschränkte multilaterale Schutztrupppe Isaf mit 4.800 Soldaten stellen, lehnt Berlin deren Ausweitung auf andere Landesteile ab. Dies hatten Afghanistans Präsident Hamid Karsai, UNO-Generalsekretär Kofi Annan und Hilfsorganisationen gefordert. Doch niemand will dafür Truppen stellen. Da sich die Sicherheit in einigen Regionen Afghanistans verschlechterte und der Aufbau der Armee sowie die Entwaffnung von Milizen kaum vorankommt, entwarfen US-Militärs im Herbst als Notlösung das Konzept militärischer Wiederaufbauteams, so genannter Provincial Reconstruction Teams (PRT). Von Zahl und Stärke her kaum durchsetzungsfähig, setzen sie vor allem auf symbolische Politik und Psychologie.

Bisher sind drei US-Teams mit 40 bis 100 Mitgliedern, überwiegend Soldaten, in den Städten Gardez, Kunduz und Bamiyan stationiert. Ein britisches Team beginnt im Juni in Masar-i Scharif den Einsatz. Geplant sind vier weitere Teams, darunter ist ein deutsches im Gespräch. Die PRT sind neben der zurzeit deutsch-niederländisch geführten Isaf und den 9.000 Soldaten der US-geführten „Anti-Terror-Koalition“ die dritte ausländische Militärformation in Afghanistan.

Ziele der PRT sind laut zivil-militärischem Beratungsteam der UN-Mission in Afghanistan (Unama), die Ursachen der Instabilität in den Provinzen zu bekämpfen, den Einfluss der Zentralregierung dort zu erhöhen und den Wiederaufbau zu fördern, vor allem bei öffentlicher Infrastruktur wie Brücken und Schulen. Der US-Afghanistanexperte Barnett Rubin schrieb in einer Analyse, die PRT sollten auch die Arbeit von Hilfsorganisationen in unsicheren Provinzen ermöglichen. Afghanen kritisieren, dass die PRT zu wenig Mittel für Projekte haben.

„Die Definition der PRT ist nicht klar“, meint Conrad Schetter, Afghanistan-Experte vom Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn. Es gebe Verwirrung, wieweit die PRT auch im Kampf gegen den Terror eingesetzt werden. Schetter kritisiert, dass die PRT kein klares Mandat von der UNO und Afghanistans Regierung hätten.

Die Teams sind ein Experiment. Ihre Zusammensetzung unterscheidet sich je nach Einsatzort und der Philosophie der entsendenden Nation. So ist in dem in der Unruheregion um Gardez eingesetzten US-Team, das ein Beobachter als „Wehrdorf“ bezeichnet, der Anteil der Militärs einschließlich Spezialkräften sehr hoch. Dagegen sind im britischen Team mehr Zivilisten. Auch bei einem deutschen PRT solle die zivile Komponente stark sein. Gedacht sei nicht an einen Einsatz in den Kampfgebieten im Süden, sondern nur im relativ konsolidierten Norden. Als möglicher Einsatzort gilt das vom tadschikischen Warlord Ismail Khan kontrollierte Herat.

Das Bundesverteidigungsministerium dementierte diese Woche einen Bericht, laut dem ein Bundeswehr-Feldlager geplant sei. In Regierungskreisen spricht man lieber von einem „deutschen Haus“, um das etwa die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, das Rote Kreuz, aber auch Institutionen aus anderen Ländern sowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs) angesiedelt werden können.

Militärische Teams sind symbolischer Ersatz für landesweite Friedenstruppe

In Afghanistan aktive NGOs begrüßen zwar das Engagement für mehr Sicherheit, doch stoßen die abfällig als „Provincial Rambo Teams“ bezeichneten PRT auf wenig Gegenliebe. Soldaten sollten sich lieber auf ihre militärische Aufgaben konzentrieren und nicht zivile Jobs übernehmen, die NGOs preiswerter und effizienter erledigen können. In einer Erklärung kritisierten über 70 NGOs im Februar die Vermischung ziviler und militärischer Arbeit durch die PRT. Dies verletzte die Neutralität der NGOs und gefährde ihre Mitarbeiter. „Solange für die Afghanen nicht klar ist, dass die PRT neutral sind, wollen wir mit diesen nicht zusammenarbeiten“, sagt Hubertus Rüffer von der Deutschen Welthungerhilfe zur taz. „PRT sind eher eine Gefährdung unserer Mitarbeiter als ein Schutz.“

Für Schetter entscheidet sich der Erfolg der PRT am Umgang mit lokalen Warlords. Es bestehe die Gefahr, diese durch Kooperation zu stärken. Doch führe an einer Zusammenarbeit wohl kein Weg vorbei. SVEN HANSEN