Alle wollen schneller abschieben – aber wen?

Bayern sucht nach Terrorverdächtigen, die man schneller abschieben könnte. Doch eine geheime Liste belegt: Es gibt kaum Fälle, die von einer Gesetzesverschärfung betroffen wären. Die Beweise für den „Verdacht“ sind schlicht zu dürftig

FREIBURG taz ■ Die Diskussion um schärfere Ausweisungsregeln für Islamisten ist weitgehend eine Phantomdiskussion. Selbst in den von Bayerns Innenminister Günther Beckstein vorgelegten 21 Fällen würden die derzeit diskutierten Neuerungen kaum etwas verändern.

„Ausländerrechtliche Maßnahmen bei Gefährdern und Gründe für Scheitern“ ist eine fünfseitige Liste des bayerischen Innenministeriums vom 22. Januar überschrieben. Mit dieser „nur für den Dienstgebrauch“ vorgesehenen Liste wollte Günther Beckstein (CSU) seinen Bundes-Kollegen Otto Schily (SPD) von der Notwendigkeit überzeugen, Ausweisungen zu erleichtern. Das der taz in anonymisierter Form vorliegende Papier listet 21 Personen auf, die als islamistische „Gefährder“ gelten (meist geht es um Kontakte zu anderen Extremisten), und erörtert, warum sie bisher nicht ausgewiesen werden konnten.

In immerhin zwei Drittel der Fälle (14 Personen) sehen Becksteins Beamten derzeit keinen der bisher geltenden Ausweisungsgründe als gegeben an. Geprüft wurden vor allem „Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, „Gefährdung der Sicherheit der BR Deutschland“, „Mitglied bzw. Unterstützung einer den internationalen Terrorismus unterstützenden Vereinigung“. Meist heißt es in der Tabelle nur: „unzureichende Beweislage“. Vereinzelt ist auch zu lesen: „kein konkreter Nachweis für Gefährdung allein aus Kontakten ableitbar“.

Was würde sich bei einer Verschärfung der Rechtslage ändern? Rot-Grün hat angekündigt, künftig solle eine „tatsachengestützte Gefahrenprognose“ genügen. Ähnlich fordert die Union, es sollten künftig Tatsachen genügen, die die „Annahme rechtfertigen“, dass Terrorkreise unterstützt werden. Doch der Unterschied zur jetzigen Rechtslage ist minimal, betonte jüngst der Ausländerrechtsexperte Günter Renner im taz-Interview (taz vom 25. März). Es genüge eben nicht jede Annahme, sondern nur eine Annahme, die bestimmte Schlüsse rechtfertigt.

Deshalb dürfte die Beweislage wohl auch künftig „unzureichend“ sein, wenn es bei einem Gefährder laut Liste heißt: „möglicherweise in führender Position einer Extremistengruppe“ oder „nicht aufklärbar, ob Verwicklung in Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“.

Wenn es bei einem Gefährder laut Liste heißt: „möglicherweise in führender Position einer Extremistengruppe“, so dürfte dies auch künftig eine „unzureichende“ Beweislage sein. Ebenso wie bei der Angabe: „nicht aufklärbar, ob Verwicklung in Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“.

Nur wenn der CSU-Vorschlag durchkommt, bereits die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer extremistischen (bisher nur: terroristischen) Vereinigung für eine Ausweisung genügen zu lassen, würde diese in einigen Fällen erleichtert. Doch hier hat SPD-Experte Dieter Wiefelspütz bisher abgewunken. Die Ausweisung von Extremisten ohne Terrorbezug hält er für ein „Ablenkungsmanöver“.

Die Liste belegt außerdem, dass auch Verschärfungen beim Ausweisungsschutz wenig ändern würden. In 5 von 21 Fällen ist die Ausweisung nur unter erschwerten Bedingungen möglich, weil sie mit einer deutschen Frau verheiratet waren und/oder einem deutschen Kind zusammenlebten. In der Regel konnte hier aber schon kein Ausweisungsgrund belegt werden.

Besonderen Ausweisungsschutz genießen in sieben Fällen auch Ausländer, die als Flüchtling anerkannt sind. Das Asyl-Bundesamt kann zwar in schwerwiegenden Fällen das Asylrecht widerrufen, doch dafür hätte ein belegbarer Ausweisungsgrund vorliegen müssen. Nur in zwei Fällen nahmen die bayerischen Behörden einen absoluten Abschiebeschutz nach der Europäischen Menschenrechtskonvention an. So besteht bei einem der Männer ein Todesurteil in Ägypten. Dem anderen droht Strafverfolgung in Tunesien. Da aber in beiden Fällen schon kein belegbarer Ausweisungsgrund bestand, kam es auch auf diesen Abschiebeschutz nicht an.

Zum Schluss noch ein Blick auf die sieben Fälle, bei denen die bayerischen Behörden einen Ausweisungsgrund annahmen, zum Beispiel weil Spenden für die Taliban gesammelt wurden, und die Ausländer trotzdem (noch) nicht abgeschoben werden konnten. Hier gab es meist Probleme mit den Pässen oder unklarer Staatsangehörigkeit. Nichts, was per Gesetz verbessert werden könnte.

Auch Otto Schilys neueste Idee – auszuweisende, aber nicht abschiebbare Ausländer in Sicherungshaft zu nehmen – findet in der bayerischen Liste keine Stütze. Es gäbe wohl keinen einzigen Anwendungsfall, weil meist kein Ausweisungsgrund nachweisbar ist. Bei bloßen Passproblemen kann heute schon Abschiebehaft angeordnet werden. CHRISTIAN RATH