Ab Montag geht‘s ums Weihnachtsgeld

Bremens Finanzlage ist katastrophal: Was vor der Wahl nur Aussteiger wie Josef Hattig andeuteten, beschäftigt nach der Wahl die Koalitionsverhandlungen. Bremer Finanzfachleute legen ein schonungsloses Papier über die Lage Bremens am Ende der Sanierungshilfen vor

BREMEN taz ■ Am Montag treten die Verhandlungskommissionen von SPD und CDU zusammen. Die Fachleute aus dem Finanzressort haben für die Koalitionsverhandlungen in den letzten Tagen erörtert, welchen finanzpolitischen Spielraum der Bremer Senat hat. Denn der Bund und alle Länder sind neuerdings ja auch an Stabilitätskriterien aus den Maastricht-Verträgen gebunden. Insgesamt, so heißt es in dem internen Papier, dürfen die laufenden Ausgaben nur um 0,5 Prozent steigen. Da aber viele Kosten – nicht nur die Sozialhilfe, auch Personalkosten – aufgrund bundesweit geltender Bindungen automatisch steigen, müssen andere Ausgabenbereiche dafür schrumpfen. In dem Finanzpapier werden daher ganz unkonventionelle Schritte erwogen und vorgeschlagen.Etwa könnte Bremen die Wochenarbeitszeit seiner Beamten – ohne Lohnausgleich – auf 42 Stunden erhöhen und dann – „bei vollem Lohnausgleich– auf 38,5 Stunden reduzieren. Das spart 8,3 Prozent der Bezüge. Die Streichung des Urlaubsgeldes würde 2,7 Millionen Euro bringen, die Absenkung der Sonderzuweisungen zusätzlich 10,9 Millionen Euro. Die Stiftung Wohnliche Stadt könnte per Senatsbeschluss aufgelöst werden, heißt es in dem Papier, die Spielbank-Abgabe würde voll in den Haushalt fließen. Die Lehr- und Lernmittel-Freiheit steht genauso auf dem Prüfstand der Finanzplaner wie die „Kulturhauptstadt“-Bewerbung, der Knast-Neubau oder die Fortschreibung der Ausgaben für die Kitas.

Das Papier, in dem der weitaus größere Teil sich aber in allgemeinen Bemerkungen zur Lage ergeht, soll den Verhandlern am Montag auf den Tisch gelegt werden. In der Präambel steht, was der Bremer Wirtschaftssenator Josef Hattig wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl ausgeplaudert hatte: Eine „Befreiung des Landes aus der extremen Haushaltsnotlage“ ist auch in der zweiten Sanierungsphase nicht gelungen. Dies sei „bereits deutlich vor Ablauf des zweiten Sanierungszeitraums“ erkennbar gewesen. Zwar haben die enormen Investitionen zum Wachstum der Wirtschaft beigetragen, die Steuereinnahmen sind aber dennoch „seit Beginn der Sanierung auf praktisch unverändertem Niveau“ geblieben. Das ist fatal, denn alle Prognosen über den Sanierungserfolg setzten nicht nur auf eine Begrenzung des Ausgabenwachstums, sondern mindestens genauso stark auf steigende Einnahmen. Einziger Trost der Bremer Haushälter: Die Finanzlage der anderen Bundesländer hat sich seit 1993 verschlechtert. „Lag der Pro-Kopf-Schuldenstand Bremens 1993 noch um 9.050 Euro über dem Vergleichswert des übrigen westlichen Bundesgebietes, hat sich der Abstand nach den Sanierungsjahren auf 7.850 Euro verringert“, heißt in in dem internen Finanz-Papier. Die Schuldenhöhe Bremens ist insgesamt aber gestiegen, Schuldenabbau – wie das einmal geplant war – fand nicht statt.

Dass die Bilanz des Saarlandes positiver ausfällt, liege schlicht daran, dass das Saarland gegenüber Bremen „massiv bevorzugt“ worden sei, heißt es da: Weil die Ausgangslage des Saarlandes weniger schlecht gewesen sei, hätte Bremen vergleichsweise mehr bekommen müssen. Bremen müsse seine Erfolge im Vergleich mit dem Saarland also „offensiv“ darstellen. Erwartet werden folgende Kritikpunkte: „Die laufenden Pro-Kopf-Ausgaben des Landes Bremen liegen immer noch deutlich über dem Durchschnittsniveau der übrigen Länder und Gemeinden des Bundesgebietes.“ Und zweitens: Bremen hätte wenigstens einen Teil der Sanierungshilfen für die Schulden-Tilgung ausgeben sollen. Das Papier leistet für beide Kritik-Punkte Argumentationshilfe: Die Pro-Kopf-Ausgaben Bremens sind so hoch wegen der hohen Zinslasten, erstens. Und zweitens wären weniger „Arbeitsplatz- und Einwohner-Effekte“ zu verzeichnen gewesen, wenn Bremen weniger investiert hätte. Ab dem Jahre 2015, so verdeutlicht eine Grafik mit zwei Kurven, wird sich das Investitionsprogramm dann richtig positiv auswirken.

Und was bedeutet das für die Haushalte der vor uns liegenden Jahre 2004 und 2005? „Sofern die Zusagen aus dem Kanzlerbrief nicht vollständig erfüllt werden sollten, wäre für Bremen ein verfassungskonformer Haushalt im Jahre 2005 nicht zu erreichen“, heißt es recht deutlich. Allein für 2005 fehlen nach derzeitiger Planung 490 Millionen Euro. Und dann erinnern die Finanzplaner an das Finanzausgleichsgesetz (FAG), der rechtlichen Grundlage für die Sanierungshilfen. Da steht, dass für die Jahre 1999 bis 2004 „eine auslaufende Sanierungshilfe gewährt (werden sollte), mit der der extremen Haushaltsnotlage abschließend entsprochen ist“.

Was also tun? Bei dem Versuch, das letzte Vermögen zu veräußern, kommen die Finanzplaner nicht mehr auf große Summen: Etwa 120 Millionen Euro könnten herausspringen, wenn Bremen seine 50,07 Prozent Aktien-Anteil an der Gewoba verkaufen würde. Ein paar Seiten weiter fordert dasselbe Papier, dass aus den Gewoba-Gewinnen mehr als die bisher festgelegten vier Prozente ausgeschüttet und eben teilweise in den Haushalt abfließen sollten. 125 Millionen Euro könnten bei einem anderen Anteilsverkauf an die swb herausspringen, und da endet die Liste der Vermögens-Verkäufe schon. Auch bei den Personalkosten traut sich das Planungspapier wenig zu – zumal derzeit schon 350 Vollzeitstellen mehr vorhanden sind (vor allem bei Bildung und Polizei), als in der Personalkostenplanung früher einmal vorgesehen waren.

Erstmals ist in dem Planungspapier davon die Rede, dass es auch bei den Investitionsplanungen Abstriche geben muss. Das bisher geplante „Abschluss-Investitionsprogramm“ (AIP) für die Jahre 2005 bis 2010 sei schon zu 78 Prozent „durch konkrete Beschlussfassung gebunden“, heißt es da. Politischer Gestaltungsspielraum würde so nur entstehen, wenn vorhandene Beschlüsse revidiert würden. Projekte wie der Neubau der Haftanstalt sind noch nicht eingeplant. Auch für die Hochschul-Finanzierung fehlen noch größere Summen. Schlussfolgerung der Finanzplaner: Die Bewertung der „regionalwirtschaftlichen Effekte“ von Investitionen müsse sich ändern und in Zukunft „nach realistischen Annahmen erfolgen“ – und zwar durch den Finanzsenator, nicht mehr durch den bisher zuständigen Wirtschaftssenator. kawe