Im Schwitzkasten des Prozesses

Der Bremer Künstler Till Meier ist einer, der eigentlich Farbeimer an die Wand schmeißen müsste. Er aber operiert mit Papier und Bleistift

Und heute: Eine Party für das Weiß. Muss auch mal sein. Auf der Gästeliste: diverse Bleistifte, alle eingeladen von Weiß-Party-Profi Till Meier. Alleine oder auch im Bündel treffen die Bleistifte ein, kuscheln sich in Till Meiers Hand. Vorfreude. Meiers Hand nähert sich dem Papier, setzt an, die Bleistiftminen quitschen vor Vergnügen und Meier sagt: „Ich nehme dem Weiß das Licht. Und genau damit feiere ich das Weiß.“

Meiers Grundgedanke: Nur wenn es auf dem Blatt ein Schwarz gibt, kann das Weiß „aktiviert werden. Ich schaffe es, dass das Weiß der Räume arbeitet, indem ich dagegen angehe.“ Ein Paradox, das Meier gefällt. Heute um 19 Uhr wird eine Ausstellung von vielen Zeichnungen und wenigen Aquarellen des Bremer Künstlers und HfK Bremen-Dozenten in der Städtischen Galerie im Buntentor eröffnet.

Papier und Bleistift also. Nicht nur, dass Meier damit neben hipper Videokunst und Installation sowieso aus der Zeit fällt, er mag es auch im Genre „Zeichnung“ unkonventionell. Da wären zum Einen die vielen Großformate, die auf jeder Privathaus-Wohnzimmerwand Platzangst kriegen würden. Zum Anderen ist es Meiers Lust an der Abstraktion, umgesetzt mit viel Energie: Mit kraftvollen Strichen schafft Meier ein Dickicht aus Linien und Flächen, setzt Kraftfelder und Ruhezonen gegeneinander und lässt alle Fragen nach der Gegenständlichkeit des Abgebildeten offen. Die „Zentrifugalkraft des Motivs“ nennt Meier das, wenn sich das Motiv nicht auf dem Papier, sondern im Kopf des jeweiligen Betrachters zurechtrüttelt.

Ab und zu scheint eine Person durchs Dickicht, eine wilde Strich-Straße bricht sich Bahn, Strich-Strudel treffen auf streng geometrische Figuren. Gemein ist den Zeichnung ihre Dynamik: Wenn auch schwerlich etwas zu erkennen ist, so sieht man vor dem geistigen Auge in jedem Fall den Künstler, wie er sich und seine Bleistifte abarbeitet am Papier. Meier ist einer, der bei seiner Arbeit sicher nicht nur immer denkt, sondern oft einfach macht. Im Schwitzkasten des Prozesses: Spontanität, umgesetzt mit dem filigranen Instrument „Bleistift“. Andere Künstler mit Meiers Ausdruckswillen würden einfach Farbeimer an die Wand schmeißen.

Aber es geht auch anders: Neben dem Power-Painting gibt es reduzierte, ruhige Motive, gerne auch mal eine abstrahierte Landschaft oder nur drei wohl arrangierte, sanfte Formen. Das sind dann die Höhepunkte der Weiß-Party. Meier: „Die Klammern machen den Mittelraum aktiv. Obwohl da gar nichts drin ist.“

Klaus Irler

bis 22. Juni in der Städtischen Galerie