tonspur
: Zwergensprache

Heute möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen, eine, wie Sie sie noch nie gehört haben. Ich übrigens auch nicht. Das steht mal fest. Ich bin sogar nicht sicher, ob ich so etwas träumen könnte. Träumen Radios überhaupt, fragen Sie sich jetzt vielleicht. Aber ich kann Ihnen sagen, wenn die Dioden schlafen, wenn die Radiowellen draußen bleiben, bewegen sich doch abertausende kleine Elektronen in mir drin, und außerdem, ich weiß ja nicht, ob Sie das Buch von P. K. Dick kennen, „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“, na ja, es ist jedenfalls eines meiner Lieblingsbücher. (Gibt es übrigens auch als Hörspiel!).

 Aber nun zu meiner Geschichte. Passen Sie gut auf: Das Herz Dr. Frankensteins wird 1945 in den Nazi-Laboren Berlins untersucht, man will aus dem Organ Armeen unverletzbarer Kampfeinheiten züchten. Hitler befiehlt, das Herz nach Hiroshima zu schaffen. Eine Atombombe fällt, 20 Jahre später hat die radioaktive Strahlung das Frankenstein-Herz zu einem riesigen Wesen mutiert, ein hässlicher Junge, der immer weiter wächst, die Menschen haben Schiss und sehen das herzige Monster als „das Böse“. Aber zwei Strahlenforscher erkennen die wahren Motive des Bösen: Er will die Stadt vor dem Angriff Außerirdischer retten. Punkt. Punkt. Punkt.

 Wie, das klingt ja krude? Wer sich so etwas ausdenkt, möchten Sie wissen? Jörg Buttgereit, Berlins bester Splatterfilmregisseur, nebenbei auch noch Filmautor, Musikproduzent, Special-Effect-Fuzzi und eben Hörspielerfinder. Der hat diese etwas andere Frankensteingenese ersonnen, und wenn man mal richtig drüber nachdenkt, ist sie auch nicht sooo fantastisch: Immerhin ist es keine paar Monate her, dass eine bekloppte Sekte behauptet hatte, mengenweise Klonbabys hergestellt zu haben, und damit auch noch ins Fernsehen kam. Aber die Kollegen vom Bildfunk zeigen ja auch alles. (Verzeihen Sie mir die kleine Spitze.) Buttgereits komisch-wahnsinniges Hörspiel über „Frankenstein in Hiroshima“ jedenfalls läuft, wenn Sie Spaß an etwas solidem, unterhaltsamem Trash haben, am 2. 6. um 0.05 Uhr. Im Deutschlandradio Berlin.

 Bleiben wir doch noch etwas bei fantastischen Geschichten. Und bei Berliner Autoren: Wolfgang Müller, den kennen Sie vielleicht noch von der genialen Kunst-Band „Die tödliche Doris“, lieben die LeserInnen dieser Publikation ja schon seit Jahren als Elfenexperten und Elfengeschichtenweitererzähler. Natürlich kann das Multitalent auch Hörspiele machen, ein vierteiliges wird in dieser Woche beginnen. Darin geht es mal wieder um das Mutterland der Elfe, das kleine, seltsame Inselchen Island. Im ersten Teil seiner Elfenrevue „Das Echo ist der Zwerge Sprache“ geht es um die öffentlichen Verkehrsmittel auf Island. Das Gerücht, es gäbe keine Eisenbahn dort, ist nämlich mal wieder typisch Gerücht – nur halbwahr: Schön lummerlandmäßig wurde von 1913 bis 1922 ein winziges Eisenbähnchen mit zwei süßen Loks in Gebrauch genommen, um ein paar Steine ein paar Meter weiter zu transportieren. Davon erzählen im Hörspiel Experten, Elfen, Märchenonkeln und Zwerge. Ein großer, traumhafter Inselspaß. („Das Echo ist der Zwerge Sprache: Island – Land ohne Eisenbahn?“, 4. 6., 16.05 Uhr, BR, Teil 2 bis 4 folgen am 11., 18. und 25. 6.)

 Und da ich heute einfach nicht genug kriegen kann von der fantastischen Welt der Fantasie, hier schnell noch ein weiterer Tipp in Sachen Mumien, Monstren, Mutationen für Sie: Bereits vor rund hundert Jahren hat Oskar Panizza „Die Menschenfabrik“ geschrieben, eine Groteske über einen neuen Menschentypus, der ein echter Verkaufsschlager ist, ruhig, anspruchslos, ohne Gehirn und ohne etwaiges aufrührerisches Gedankengut. Ein Schaf, sozusagen. Komplett moralfrei übrigens auch. Der Autor wurde 1905 in die Psychiatrie eingewiesen, denn das war lange Zeit die Art, mit Visionären umzugehen. 1984 wurde Panizzas Prä-Science-Fiction-Story erstmals veröffentlicht, 1989 wurde ein Kurzhörspiel daraus. Das mit wunderbar schräger Musik unterlegte Ding läuft am 6. 6. um 22.05 Uhr im BR.

VERONA VON BLAUPUNKT