Im Leiden vereint

Zum ersten Mal besucht eine Gruppe Palästinenser und Juden gemeinsam das ehemalige KZ Auschwitz

WARSCHAU taz ■ Über 500 Palästinenser und Juden aus Israel und Frankreich standen am Mittwoch gemeinsam vor dem Tor des ehemaligen deutschen Konzentrationslager Auschwitz in Südwestpolen bei Krakau. „Arbeit macht frei“, entzifferten sie die deutsche Aufschrift. Rechts und links sahen sie die Baracken aus rotem Backstein, den Stacheldrahtzaun und den Galgen des Lagers. In Birkenau, dem eigentlichen Vernichtungslager, stolperten sie schweigend über die Gleise zu den Trümmern der ehemaligen Gaskammern. Dort verlasen sie halblaut die Namen der hier ermordeten Familienangehörigen der jüdischen Mitreisenden in der Gruppe. Es ist die größte arabische Gruppe, die je die Gedenkstätte Auschwitz besucht hat.

Der Initiator der Reise, Emil Shoufani, ist griechisch-katholischer Priester in Galiläa und Direktor der Mittelschule al-Mutran (St. Josef) in Nazareth. Er sagt: „Die Existenz der jüdischen Nation in diesem Land, im Nahen Osten und überall auf der Welt ist immer noch tief durch die Erinnerung an die Schoah bestimmt. Juden haben noch immer Angst vor Verfolgung, und die Intifada hat diese Angst nur weiter angefacht. Diese Reise ist kein Vorschlag für eine Friedensvereinbarung. Wir wollen die Reaktion der Juden verstehen: Sie fühlen sich bedroht und so reagieren sie.“

Seit Oktober 2000, als die israelische Polizei 13 arabische Demonstranten erschossen hat, ging Vater Shoufani die Idee nicht mehr aus dem Kopf, dass der Holocaust den Schlüssel zum Verständnis der jüdischen Mitbürger darstelle. „Wir müssen uns selbst aus diesem Kapitel der Geschichte ziehen, in dem das Prinzip „Wir du mir, so ich dir“ nur noch „Mord gegen Mord“ nach sich zieht“, so Shoufani. „Wir haben keine politischen Ambitionen. Alles, was wir wollen, ist unsere Beziehung zum jüdischen Volk wiederherzustellen“. GABRIELE LESSER