Frauen: Schröder denkt nur an die Männer

„Ohne Frauen keine Reform“, finden Senta Berger und Alice Schwarzer in einem Aufruf, der die Agenda 2010 kritisiert

BERLIN taz ■ Wenn schon Reform, dann richtig. Schröders Sparshow mit etwas anzureichern, das wenigstens minimal nach einem Plan für die Zukunft aussieht, fordern nicht nur Sozial- und Umweltpolitiker. Vor dem SPD-Sparparteitag am Sonntag und bevor die SPD im Herbst in sich gehen will, um eine weitere Perspektive zu entwickeln, hat sich gestern ein Frauenbündnis aufgemacht, vom Modernisierer Schöder eine moderne Geschlechterpolitik einzufordern.

„Frauenpolitik ist ein handfestes wirtschaftspolitisches Thema“, stellt Ursula Engelen-Kefer in dem vom DGB initiierten Aufruf fest. Mehr Frauen mit mehr Einkommen bedeutet mehr Nachfrage auf dem inländischen Markt. Und das genau brauche Deutschland, dessen Frauen im europäischen Vergleich relativ wenig lohnarbeiten. Von allen erwerbsfähigen Frauen seien laut OECD nur knapp 60 Prozent berufstätig, zwei Fünftel von diesen wiederum nur in Teilzeit. Viel Geld kommt da nicht zusammen.

Alice Schwarzer, Katja Ebstein und Senta Berger, die Bischöfinnen Maria Jepsen und Bärbel Wartenberg-Potter, der Deutsche Frauenrat und der DGB pflichten dem Kanzler in der Analyse durchaus bei, dass die deutschen Sozialsysteme seit 50 Jahren nicht verändert worden seien und reformiert werden müssen. „In einer Hinsicht hat Gerhard Schröder Recht“, heißt es in dem Aufruf, „noch heute dominiert das traditionelle Leitbild des männlichen Familienernährers mit einer Ehefrau, die sich um Haushalt und Kinder kümmert und allenfalls ein paar Euro dazuverdient.“ Leider ändere Schröders Agenda 2010 daran überhaupt nichts. Frauen von 325-Euro-Jobs in 400-Euro-Minijobs aufsteigen zu lassen, „zementiert die Abhängigkeit vom Mann, programmiert Altersarmut vor und verfestigt Schwarzarbeit“, so das Bündnis in seinem Aufruf. Die Frauen wollen mehr „vollzeitnahe“ Teilzeitarbeit für alle und für die Elternzeit ein ordentliches Erziehungsgeld nach schwedischem Vorbild, das auch Männern ermöglicht, in dieser Zeit zu Hause zu bleiben. Im Steuersystem fordern sie Gleichbehandlung, indem das Ehegattensplitting durch eine Familienkomponente bei der Einkommensteuer ersetzt wird. Als Minimalforderung an die Agenda 2010 sollen Menschen, die durch die Kürzungen kein Geld mehr vom Arbeitsamt bekommen, wenigstens in den Förderprogrammen wie ABM bleiben können.

Mit dem Kinderbetreuungsprogramm ist die Regierung da durchaus auf Linie des Frauenbündnisses: So nennt etwa die Beauftragte für Chancengleichheit des Landesarbeitsamtes Hamburg, Mechtild Pingler, die fehlende Kinderbetreuung als Haupthindernis, wenn Mütter ihre Berufstätigkeit wieder aufnehmen wollen. „Die starren Arbeitszeiten entsprechen oft nicht den Erfordernissen von Müttern“, ist Pinglers Erfahrung. Qualifizierte Teilzeitarbeitsplätze aber sind rar. Es bleibt Arbeitslosigkeit oder der Abschied in die stille Reserve.

Letztendlich geht es den Frauen um den Abschied vom Zuverdienerinnenmodell in deutschen Familien. Beide Partner sollen mit leicht reduzierter Arbeitszeit und staatlicher Kinderbetreuung erwerbstätig sein. Für eine Zukunft, in der die Deutschen weniger werden, ist das kein blödes Konzept. Fraglich ist nur, ob der Kanzler für diese Zukunft auch einen Blick übrig hat.

HEIDE OESTREICH