berliner szenen Kondens im Kragen

Bunker jetzt öffentlich

Frauen in Stöckelschuhen und Minderjährige kommen hier nicht rein. Noch bevor man so richtig den Bunker auf dem Humboldthain betreten hat, wird das klargestellt. 30 Leute drängen sich zu der ersten Führung in einem engen Gang aus Stahlbeton und gucken sich gegenseitig auf ihr Tretwerkzeug. Dietmar Arnold ist der Anführer des „Berliner Unterwelten“-Vereins, der sich erst heimlich und dann ganz offiziell in die letzte Hochbunker-Ruine Berlins eingegraben hat.

Nach drei Jahren und zähen Verhandlungen mit dem Bezirk hatte man so viel Trümmerschutt weggebuddelt, Gitter und Geländer angebracht, dass jetzt auch Normalsterbliche den Bunker betreten dürfen.

Ein Paar aus Bonn hat sich vorgenommen, die offiziellen Pfade des Berliner Kulturprogramms zu verlassen. Unsicher zupft sich die Frau an ihrem dünnen Jäckchen. Draußen bricht der Frühling an und hier drinnen tropft einem das kalte Kondenswasser in den Kragen. Auf einem Dia sieht man Göring, wie er sich die Flak erklären lässt. Der Luftwaffen-Chef spielte so gerne an den vielen Knöpfchen, dass die Geräte danach überholt werden mussten.

Ein älterer Herr tastet sich mit seinem Krückstock wacker die Wendeltreppe herunter. Seine Frau verrät den Umstehenden, dass er nicht das erste Mal hier sei. „Ja“, sagt er, „damals bin ich an der Hand meiner Mutter durch das brennende Wedding hierher gerannt.“ Doch so richtig erinnern kann er sich nicht. Alles sieht so anders aus. Kein Wunder: Der sechsstöckige Bunker wurde von den Alliierten gesprengt, klappte aber nur zur Hälfte ein. Der Rest wurde zugeschüttet. Jetzt guckt man von oben 20 Meter tief in den Treppenschacht.

REBECCA MENZEL