Büstenhalter und Sicherheitsrat

Seit 25 Jahren sind die „Zeitpunkte“ auf Sendung. Die einzige Frauenfunksendung der ARD hat zwar nur noch eine Nische beim RBB-Kulturradio. Ohne die vielen Fans gäbe es sie aber gar nicht mehr

VON COSIMA SCHMITT

Es gibt sie noch. Das ist die gute Nachricht. Sie ist aus der Hauptsendezeit verbannt. Das ist der Wermutstropfen. Vor 25 Jahren erstellten frauenbewegte Journalistinnen im SFB zum ersten Mal die Sendung „Zeitpunkte“. Heute ist dies die einzige Frauenfunksendung der ARD. Viermal stand sie vor dem Aus, viermal überlebte sie in letzter Minute. Spartenfunk statt Unisex-Programm – das finden die Zeitpunktler nach wie vor zeitgemäß.

„Die weibliche Sicht der Dinge wird immer interessant bleiben, selbst wenn einmal die Benachteiligung der Frau überwunden sein sollte“, sagt Madgalena Kemper, Redakteurin der ersten Stunde. Die Programmdirektoren des RBB sind da skeptischer. Alle paar Jahre einmal setzen sie die „Zeitpunkte“ auf die Abschussliste, zuletzt im Juli 2003.

Einst durften die Frauenfunker täglich die Hauptsendezeit füllen, nun darben sie im Nebenprogramm: Unter der Woche liefern sie täglich zwei Beiträge für das RBB-Kulturradio. Nur samstags und sonntags bleibt ihnen dort, jeweils um 17.05 Uhr, eine eigene Sendung. Sie berichten aus Flüchtlingsheimen und Fitnessstudios, sinnieren über Handys, Büstenhalter, den Weltsicherheitsrat oder die Frau im Chefsessel. In den frühen 80ern brachen sie Tabus, weil sie offen über Sex sprachen. Heute brechen sie die Regeln, weil sie nicht mit Verbalerotik Quote machen möchten. „Die Dauerkrise der ‚Zeitpunkte‘ ist symptomatisch für den Niedergang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, meint Andrea Fischer, Exbundesministerin. Seit den 80ern lauscht sie der Sendung, nun ist sie empört: „Radio ist heute nur noch als Dudelfunk erwünscht.“

Die „Zeitpunkte“ aber setzen auf die Macht des Wortes. „Die ganze Welt aus Frauensicht“ wird von vier Redakteurinnen und 25 „festen Freien“, so der Radiojargon, erstellt. An Kritik mangelt es nicht. „Emanzenfunk“ oder „Altweiberwelle“, kritisieren die einen. Zu viele Familien- und Kinderthemen, klagt die Gegenfront, die Frau werde auf Rollenklischees festgelegt.

Tausende hören trotzdem zu. Die „Zeitpunkte“ sorgen regelmäßig für Aufschwung bei den Einschaltquoten. „Die Sendung hat ganze Legionen von hartnäckig liebenden Hörern“, so Exministerin Fischer. Droht dem Frauenfunk wieder einmal das Aus, schreiben sie Briefe, malen Plakate oder organisieren Demos. Redakteurin Kemper etwa ist sich sicher: „Ohne die öffentliche Unterstützung hätte der Sender uns längst eingestellt.“

An symbolischer Hilfe indes fehlt es nicht. Am Donnerstag verlieh das Land Berlin der Redaktion die „Louise-Schroeder-Medaille“. Die ehrt, erinnernd an die frühere Oberbürgermeisterin, frauenpolitisches Engagement. An diesem Feiertag mochte auch RBB-Hörfunkdirektorin Hannelore Steer nicht mit guten Worten geizen: Die „Zeitpunkte“ gäben „viele interessante und aufregende Impulse für das Kulturradio des RBB“.

Unterdessen hofft die Redaktion auf das Vorbild BBC. Der britische Sender strahlt seit Jahren eine „woman’s hour“ aus – Tag für Tag.