schwabinger krawall: fisch, ei und bier von MICHAEL SAILER
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Onkel Rainer hat am Freitag ein Ei gefunden, und das hat ihn gar nicht gefreut, weil das Ei vom vergangenen Jahr war. Noch weniger gefreut hat ihn, dass der Fritzi das Ei, das in der Tasche von Onkel Rainers Firmungsanzug war und also auch vom vorletzten oder einem noch früheren Jahr hätte herstammen können, aufgeschlagen hat, um nachzuschauen, ob es nicht vielleicht noch gut ist. Jetzt stinkt die ganze Wohnung, und Onkel Rainer ist die Freude am verlängerten Wochenende, die sowieso geschmälert war durch seinen an Silvester gefassten Vorsatz, am Karfreitag mit dem Rauchen aufzuhören, gründlich vergangen.

Als die Mama sagt, dass sie jetzt langsam den Fisch auftauen werde, stellt Onkel Rainer fest, dass er unter diesen Umständen auf keinen Fall in der Lage sei, einen Fisch zu sich zu nehmen, schon gar nicht in der verstänkerten Wohnung. Der Fritzi sagt, er wolle sowieso lieber eine Pizza, und weil die Mama sagt, das komme überhaupt nicht in Frage, schreit er, dann gehe er eben zum Fußballspielen.

Allerdings sind die neuen Fußballschuhe noch nass vom Donnerstag, weil da der Ball in den Eisbach hineingerollt ist; also wühlt der Fritzi die alten Fußballschuhe aus der untersten Schublade, und wie er prüfen will, ob er nicht herausgewachsen ist, stellt er fest, dass er nicht hineinkommt, und zieht ein weiteres Ei hervor. Das könne ja theoretisch auch ein neues sein, sagt er und will es aufschlagen, aber Onkel Rainer fährt dazwischen, reißt ihm das Ei weg und schmeißt es zur offenen Balkontür hinaus. Der Schrei, der unmittelbar danach ertönt, klingt so sehr nach Frau Hammler, dass sich niemand die Balkontür zuzumachen traut, um nicht gesehen zu werden. Dass es tatsächlich Frau Hammler ist, erweist sich, als wenige Minuten später im Treppenhaus ein Riesengepolter und Geschrei anhebt, das in Sturmklingeln mündet und, da Onkel Rainer die Mama und den Fritzi handgreiflich am Öffnen der Wohnungstür hindert, nach einiger Zeit wieder abebbt.

Als der Fritzi gerade Entwarnung geben will, ertönt die Stimme von Herrn Hammler, der „ein für alle Mal“ klarstellt, dass man es sich nicht bieten lassen werde, „von Malefizhanswursten mit Stinkbomben und altem Dreck beschmissen zu werden“. Als Antwort ist aus dem dritten Stock ein krächzendes „Ruhe!“ von der alten Frau Reibeis zu hören, dem Herr Hammler wiederum entgegnet, sie müsse „ganz still sein“. Warum und wie die Mama in dem ganzen Durcheinander den Fisch doch aus dem Kühlschrank geholt und ihn aber mitsamt dem Teller in den Geschirrschrank geräumt hat, wo ihn Onkel Rainer auf der Suche nach einem Aschenbecher am Montag finden wird, bleibt vorerst offen.

Dass Onkel Rainer daraufhin dem Fritzi das Fußballspielen verbieten will, ist auch nicht leicht zu erklären; aber einen ernsthaften Versuch, das Verbot durchzusetzen, unternimmt er sowieso nicht, weil er auf die Frage der Mama, ob „jemand“ einen Eierlikör will, drei Bier hintereinander trinkt, vor dem Fernseher einschläft und erst am Dienstag in der Früh wieder aufwacht.

Da ist die Wohnung dann endlich gut gelüftet und die Gefahr auch für die Zukunft weitgehend gebannt, weil niemand daran gedacht hat, für Ostern neue Eier zu verstecken.