Angst essen Stimmung auf

Mit dem matten 1:1 gegen den SC Freiburg ist der Vorsprung von Werder Bremen vor Bayern München auf sieben Punkte geschrumpft. Der Tabellenführer will trotzdem nicht nervös werden

AUS BREMEN MARKUS JOX

Unter einem Schaafismus versteht man in Bremen eine dürre, vorderhand grantig-krude, bei genauerem Betrachten aber bestechend witzige Antwort des Fußball-Lehrers Thomas Schaaf auf eine saublöde Journalistenfrage. Diesmal, nach dem mauen 1:1 gegen den SC Freiburg, lautete die Frage wie folgt: „Werder hat nun an zwei Spieltagen hintereinander jeweils zwei Punkte auf Bayern München verloren. Wie schätzen Sie die Situation ein, Herr Schaaf?“ Der darauf folgende Schaafismus: „So, wie sie ist.“

Schaaf, der es mithin begnadet versteht, mit bierernster Miene die sinnentleerten Phrasen des Fußballgeschäfts ad absurdum zu führen, gab dem Fragesteller noch einen hinterher: „Was haben Sie denn erwartet? Dass wir mit zwanzig Punkten Vorsprung deutscher Meister werden?“ Gewiss würden jetzt „wieder ein paar Rufe laut“, prophezeite der Werder-Trainer eine mediale Spekulationswelle über einen Einbruch seiner Mannschaft, „aber darauf sind wir eingestellt – wir jedenfalls können mit der Situation umgehen“.

Den 45.000 Zuschauern im ausverkauften Weserstadion fiel dies weniger leicht. Die meisten hatten es sich noch gar nicht so recht gemütlich gemacht, da lag das Bremer Team bereits 0:1 zurück. Dennis Kruppke hatte nach lächerlichen 19 Sekunden den Ball an Andreas Reinke vorbeigeschoben und die Bremer Viererkette dabei sehr, sehr alt aussehen lassen. Das schnellste Tor in der laufenden Bundesligasaison sei das gewesen, wurde von den Gralshütern der Statistik hernach aufgeregt kundgetan, und obendrein auch noch das schnellste Tor in der Vereinsgeschichte des SC Freiburg – „soweit diese bekannt ist“, ergänzte Coach Volker Finke, der sich an diesem Abend einen knallroten Münte-Schaal um den Hals gelegt hatte und der auch ähnlich verkniffen strahlte wie der Sozen-Grande. Vor allem mit Tobias Willi, Dennis Kruppke und dem rasend schnellen Wilfried Sanou, die mit ansehnlichem Konterspiel immer wieder für große Gefahr sorgten, durfte Finke zufrieden sein.

Zwar gelangt Ailton bereits in der 18. Minute der Bremer Ausgleich, doch wer jetzt eine Gala-Vorstellung der viel gelobten Werder-Mittelfeld-Raute erwartete hatte, wurde arg enttäuscht: Freiburg ließ den Bremer Fußball-Künstlern wenig Spielraum zur freien Entfaltung. Und obwohl Schaaf am Ende sogar mit vier Stürmern spielen ließ – zu Ailton und Ivan Klasnic gesellten sich noch Angelos Charisteas und Nelson Valdez –, erspielte sich Bremen nur wenige zwingende Chancen.

Die Kulisse war seltsam anämisch und gedämpft, gerade so, als läge Bremen 0:3 zurück. Immer wieder musste der Stadionsprecher die „lieben Werderfans“ dazu anhalten, „noch mal alles zu geben“, da „wir doch alle drei Punkte brauchen“. Nichtsdestotrotz blieb es so still im Rund, dass die „Auf geht’s Freiburg, schieß ein Tor“-Sprechchöre der etwa 150 angereisten Fans aus dem Breisgau deutlich zu vernehmen waren.

Selten auch sah man Thomas Schaaf derart fuchsteufelswild in seiner Coaching-Zone herumhampeln. Zwar sind ausführliche Dialoge des Bremers mit den jeweiligen Linienrichtern vor der Trainerbank nicht unüblich. Doch es fiel schon auf, wie garstig Schaaf diesmal den vierten Offiziellen voll textete, die eigenen Spieler nach vorne brüllte oder mit weit ausgebreiteten Armen Freiburger Zeitspiel monierte – da wird doch nicht jemand nervös geworden sein? Ähnlich schnell wie Schaaf kann übrigens auch der Kollege Finke den Schalter umlegen vom aufgeregten Geschrei auf dem Platz zu lässigen Kommentaren nach dem Spiel. Das wegen eines angeblichen Handspiels aberkannte Tor der Freiburger kurz vor der Halbzeit? „Das fand ich regeltechnisch sehr interessant“, gab der Freiburger Trainer den Mister Cool. Hätte ein Abwehrspieler ein solches unabsichtliches Handspiel gemacht, „wäre das sicher nicht gepfiffen worden“. Und die gelb-rote Karte für Zlatan Bajramovic in der 66.Minute? Die sei zwar selbst ganz und gar unberechtigt gewesen, aber verdient habe sein Spieler den Platzverweis schon, so Finke in paternalistischer Strenge. „Die hat er sich in den letzten Spielen abgeholt, als er ständig lamentiert und sich mit den Schiedsrichtern angelegt hat.“

Was bleibt? Werder hat zwar nicht geglänzt, ist aber mittlerweile seit 18 Pflichtspielen ungeschlagen. Angst vor den Bayern darf es offiziell nicht geben. Und wie sagte doch der Stadionsprecher, in Anlehnung an einen kaiserlich-bajuwarischen Aphorismus, so schön: „Sieben Punkte Vorsprung sind besser als in die Hose geschissen.“