Ein Königreich für ein paar Waffen

Die britischen Geheimdienste behaupten, die Regierung Blair habe sie angehalten, die irakische Bedrohung zu übertreiben. Die Regierung schiebt alle Schuld auf die Dienste

DUBLIN taz ■ Was würde Tony Blair nicht für ein paar Massenvernichtungswaffen im Irak geben! Wer hat eigentlich behauptet, dass Saddam Hussein über solche Waffen verfügte? Die britische Regierung sagt, die Geheimdienste seien es gewesen. Die Geheimdienste behaupten, die Regierung habe sie gezwungen, ihre Berichte etwas aufzupeppen und die Gefahr zu übertreiben. Darüber ist nun ein heftiger Streit ausgebrochen.

Es geht vor allem um die Einschätzung, dass der Irak „einige seiner Massenvernichtungswaffen binnen 45 Minuten“ einsetzen könnte. Die Geheimdienste wollten diese Beurteilung im September vorigen Jahres nicht in ihren Bericht aufnehmen, da sie nur auf einer einzigen Quelle beruhte – und nicht auf mindestens zwei unabhängigen Quellen, wie es für gesicherte Informationen unabdingbar ist. Zunächst wollte die Regierung das Dossier auch gar nicht veröffentlichen, da es wenig Neues enthielt. Doch der Labour-Parteitag stand vor der Tür, und Blair wollte die Öffentlichkeit und die Skeptiker in den eigenen Reihen von der Notwendigkeit eines Krieges überzeugen.

Ein hochrangiger Geheimdienstmitarbeiter sagte, die Regierung habe deshalb angeordnet, den Bericht „sexy“ zu machen. „Die Information über die Einsatzfähigkeit der Waffen innerhalb von 45 Minuten stand nicht in unserem Originalbericht“, sagte er. „Sie wurde gegen unseren Willen hinzugefügt. Wir hielten die Quelle nicht für zuverlässig.“ Das sei gelogen, sagte Blairs Pressesprecher Alastair Campbell vorgestern: „In dem Bericht stand nichts, was nicht von den Geheimdiensten stammte.“ Ein Kabinettsminister, der ungenannt bleiben wollte, ging noch einen Schritt weiter: Die Geheimdienste seien für die kompromisslose Haltung der Regierung gegenüber Saddam verantwortlich, sagte er. Falls man keine Massenvernichtungswaffen finde, sei es das „schlimmste Versagen britischer Geheimdienste in der Geschichte“ und werde schwerwiegende Folgen haben.

Blair war ebenfalls sichtlich aufgebracht über die Anschuldigungen gegen die Regierung und verlor bei der Pressekonferenz in Warschau, wo er zurzeit auf Staatsbesuch ist, mehrmals die Beherrschung. Es sei „vollkommen absurd“, dass die Regierung die Geheimdienste zur Fälschung von Beweisen für Massenvernichtungswaffen gezwungen habe, sagte Blair. „Die Beweise sind vom gemeinsamen Ausschuss der Geheimdienste zusammengestellt und als wahr akzeptiert worden“, fügte er hinzu und verwies auf die beiden Lastwagen, die angeblich als mobile Laboratorien für biologische und chemische Waffen gedient haben. Von den Waffen fand man allerdings keine Spur. Und ein UN-Inspektor wies darauf hin, dass es sich bei den Lastwagen nicht um sonderlich konspirative Fahrzeuge gehandelt haben könne, da sie an den Seiten offen gewesen seien. RALF SOTSCHECK