montagskolumne: meinhard rohr zur lage der nation im spiegel seines wissens
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Wo ist eigentlich das gute, alte und beliebte Thesenpapier geblieben? Das fragte ich mich, als ich die Bilder vom SPD-Parteitag am Wochenende sah. „Agenda Zwanzigzehn“ – das klingt nicht nach Thesenpapier, sondern nach Linoleumboden, Bohnerwachs und Nummernautomat in einer Parteibehörde, die sich aufmacht, die Sprache der Marketing-Fachleute, Marketender und Markthändler anzuwenden, aber scheitert beim Bemühen, das Leichte, Lockere und Lockende der Speaker-Szene aufzubeamen. Virtuell versteht sich. Schon 1968, als auch ich leider noch zu den Linken gehörte, kritisierten wir die Bemühungen der Szene-Speaker. Bewusst hielten wir uns an das deutscheste aller deutschen Universitäts-, Hochschul- und Campusworte: „Thesenpapier“. Schon der Klang klingt wie von selbst. Darüber sollte der Kanzler, Parteivorsitzende und Chef der Sozialdemokraten, die immerhin Regierungspartei sind, einmal nachdenken. Sprache ist schließlich die höchste Form der Sprache.

Diese Kolumne erscheint in loser, aber leider häufiger Folge.