Ullrich wird nicht nass

Beim Erfurter Hainleite-Rennen zeigt sich der Ex-Merdinger erstmals im noch wenig beklebten Trikot seines neuen Radstalls Bianchi und kommt damit auf den 16. Platz. Streit mit Coast scheint beigelegt

aus Erfurt MARKUS VÖLKER

Die Zuschauer mussten lange warten, ehe sie Jan Ullrich im neuen Bianchi-Trikot zu Gesicht bekamen. Blitze zuckten über Erfurt. Es regnete in Strömen. Das Bianchi-Team rollte als letztes zur Einschreibung. Ullrich allerdings schenkte sich diese Prozedur und fuhr gleich an den Start der Hainleite-Rundfahrt, wo all die anderen Radprofis, mittlerweile triefend nass vom heftigen Gewitterguss, ausharrten, bis sich die Hauptperson des Tages bequemte. „Ich wollte nicht nass werden“, sagte Ullrich, nachdem er als Sechzehnter über die Ziellinie gerollt war. Die Rennleitung belegte ihn dafür mit einer Strafe von 100 Schweizer Franken.

Ullrich hatte im Ziel nach 189 Kilometern 19 Sekunden Rückstand auf eine dreiköpfige Spitzengruppe. Enrico Poitschke vom Team Wiesenhof gewann das Rennen vor dem Österreicher René Haselbacher und Jens Heppner (Wiesenhof). 30 Tage hatte Ullrich keinen Wettkampf mehr bestritten. Zuletzt durfte er am 1. Mai am Henninger Turm ran. Danach wurde das Team Coast erneut vom Weltverband UCI gesperrt. Die Transformation von Coast in Bianchi ging mit einigen Komplikationen vonstatten. Aus dem Prestigeobjekt des Essener Boutiquenbesitzers Günther Dahms wurde nichts; er einigte sich knapp vor dem Start in Erfurt mit den Nachfolgern über eine Abfindung in unbekannter Höhe.

Damit blieb es Ullrich wenigstens erspart, im Trikot der deutschen Nationalmannschaft anzutreten, was im Fall einer einstweiligen Verfügung vonseiten Dahms gedroht hätte. So durfte Ullrich ins neue, mintgrüne Leibchen von Bianchi schlüpfen. Das Textil war per Eilzustellung von Verona nach Erfurt versandt worden. Es schaut noch recht nackt aus. Während die Shirts der anderen Fahrer vor Werbeschriften übergehen, prangt neben der Aufschrift des Radherstellers aus Treviglio bei Bergamo nur das Logo eines einzigen Co-Sponsors.

Die Teamchefs Rudy Pevenage und Jacques Hanegraaf dürften noch viel Arbeit darauf verwenden, die finanzielle Ausstattung bis zur Tour de France zu verbessern. Dort darf Bianchi starten, weil UCI und Tour-Gesellschaft Jan Ullrich auf jeden Fall in Frankreich sehen wollen.

Die Zwangspause hat Ullrich allerdings Kraft gekostet, psychisch und körperlich. „Das ging doch ziemlich auf die Nerven, was wir alle in der letzten Zeit durchgemacht haben. Bei dieser Sache konnte man sich nicht hundertprozentig auf den Sport konzentrieren“, sagte Ullrich. Die Ungewissheit habe „Körner“ gekostet. Überdies konnte er in der vergangenen Woche wegen eines Magen-Darm-Infekts kaum trainieren. „Doch dafür ging es eigentlich ganz gut, viel besser, als ich es erwartet hatte.“ Nur die Beine seien ziemlich fest, so Ullrich.

Der Ex-Merdinger versuchte, sich im Feld zu zeigen. „Er ist immer vorne gefahren“, bemerkte Enrico Poitschke. Der Rest von Bianchi hingegen fiel deutlich ab. Zum Schluss konnte nur noch einer, Thomas Liese, mithalten. „Das ist klar, dass die nach der langen Wettkampfpause nicht ganz vorn fahren können“, sagte Poitschke, „dieses Potenzial hat nur ein Jan Ullrich.“

Der aber ist sich seiner noch nicht ganz sicher: „Ich muss jetzt abwarten, meine Form kann von sechs Tagen Trainingsausfall ja nicht weg sein.“ Er wird am Dienstag bei der Deutschland-Tour antreten, gemeinsam mit den spanischen Fahrern Plaza, Garmendia und dem Italiener Guidi. Heute präsentiert sich das Team Bianchi erst mal offiziell in Dresden. Vor der Tour de France steht dann auch noch die Tour de Suisse als Vorbereitung an.

Gut möglich, dass dann Marco Pantani an Ullrichs Seite fährt. Der haarlose Italiener hatte sich kürzlich ins Gespräch gebracht, bei Bianchi einsteigen zu wollen. Seine derzeitige Mannschaft, Mercatone Uno, wurde nicht nach Frankreich eingeladen. Ex-Dopingsünder Pantani hat seine Erfolge auf Bianchi-Rädern geholt. Ullrich wird namhafte Unterstützung brauchen. Profis wie Teutenberg, Radochla oder Von Kleinsorge, mit denen er in Erfurt an den Start ging, werden ihm bei der Tour de France nicht helfen können.

Doch an diesem Sonnabend hat sich Ullrich mit solchen Gedanken nicht herumgeplagt. Froh über den Zuspruch der Fans, schrieb er im Ziel geduldig Autogramme, setzte seinen Schriftzug auf Mützen, Schals und Magazine. Eine Geste, zu der er am Morgen noch keine Lust hatte.