querspalte
: Betr.: Biedenköpfe

Versteinert an Himmelfahrt

„Dauerhafter als Erz schuf ich ein Ehrenmal“, schrieb der römische Dichter Horaz selbstbewusst. „Was bleibt, stiften die Dichter“, meinte später Hölderlin. Bürgermeister Konrad Barth aus dem erzgebirgischen Schlema hegte offenbar Zweifel, ob es sich bei Kurt Biedenkopfs gesammelten Werken um ewige Dichtung oder politische Tagesprosa handelt. Zusammen mit dem Stadtrat ging er auf Nummer sicher im Verehrungsbedürfnis für den so undankbar abgedankten König Kurt und seine Gemahlin. Besser zu Lebzeiten ein Denkmal, ehe noch Christa Wolf fragt „Was bleibt?“

 Nicht Erz, nicht Verse, nein, ein korrosionssicherer König-Stein wird nun von den Biedenkopfs bleiben: ein etwas amorpher Riesenfindling von sieben Tonnen, den Sponsoren wie Sisyphos auf jene ehemalige Wismut-Halde schleppen ließen, auf der der Landesvater einst gestanden und segnend ins Land geblickt hatte. Schlema lag zu seinen Füßen, dessen Ortskern beinahe in einem dieser unterirdischen Löcher versackt wäre, die der Uranbergbau zugunsten sowjetischer Atombomben hinterließ. Nun kommen, wie in vorkommunistischen Zeiten, wieder Kurgäste – nach Auffassung des Bürgermeisters allein dank dem Königspaar a. D. Ingrid und Kurt.

 Ob nun symbolträchtig oder geschmacklos – die Einweihung fand am Himmelfahrtstage statt. Eine mit den zweifelsfrei lebendigen Biedenköpfen abgestimmte Gedenktafel erläutert den Sinn des Klotzes. Es ist indessen auch noch Vernunft unter den sprichwörtlich königstreuen Erzgebirglern. In einer Umfrage der Regionalzeitung Freie Presse hielten drei Viertel der Leser die Biedenkopf-Devotionalie für ziemlich spleenig. Es scheint, als bliebe den Sandsteinwänden der Sächsischen Schweiz ein Riesenrelief „Adenauer, Kohl und Biedenkopf à la Mount Rushmore“ erspart. Vorerst zumindest. MICHAEL BARTSCH