Oppositionelle unter Arrest

Birmesische Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi von der Militärjunta erneut verhaftet. UN-Generalsekretär Annan ruft Parteien zu nationaler Versöhnung auf

BANGKOK taz ■ Rund ein Jahr nach ihrer Freilassung ist Birmas Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi am Wochenende erneut unter Arrest gestellt worden. Mit ihr wurden 19 Mitglieder ihrer Partei, der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), festgenommen sowie Parteibüros in allen größeren Städten vorübergehend geschlossen, wie gestern Militärkreise verlauten ließen. Suu Kyi sei nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen NLD-Anhängern und Gefolgsleuten der Militärjunta vorübergehend unter den Schutz der Behörden gestellt worden, rechtfertigte der Militärsprecher, Brigadegeneral Than Tun, die Festnahmen.

Bei den Zusammenstößen wurden nach Militärangaben vier Menschen getötet und weitere 50 verletzt. Suu Kyi und ihre Anhänger, darunter auch ihr Stellvertreter U Tin Oo, werden im Norden des Landes festgehalten. Die Friedensnobelpreisträgerin sei von ihren Gefolgsleuten abgeschnitten, so ein Beobachter. Sieben weitere NLD-Mitglieder stehen laut Junta zudem in Rangun unter Hausarrest.

Die ursprünglich auf einen Monat angesetzte Tour durch den Norden Birmas war die bisher längste, die Suu Kyi seit ihrer Freilassung am 6. Mai vergangenen Jahres unternommen hatte. Die Gewalttätigkeiten waren am späten Freitagabend in der Stadt Yaway Oo ausgebrochen, etwa 560 Kilometer von Rangoon entfernt. Nach Angaben der Nationalen Liga für Demokratie wurde dabei auch Suu Kyis Auto beschossen, wobei einer ihrer Begleiter verletzt worden sei.

Die jetzige Reise hatte bereits mehrfach für Unruhen zwischen Oppositionellen und Junta-Anhängern gesorgt. Denn der Autokonvoi von Aung San Suu Kyi war in zahlreichen Städten immer wieder von mehreren tausend Sympathisanten bejubelt worden. Diese Popularität hat die herrschende Junta zunehmend beunruhigt, wie politische Beobachter in Rangun erklärten: „Die Regierung will, dass die Reise abgebrochen wird“, hieß es.

In zunehmend schärferen Tönen hatte Aung San Suu Kyi die Blockadepolitik der Junta angeprangert und den Militärs vorgeworfen, kein Interesse am Dialog mit der NLD zu haben. Kritiker mutmaßen deshalb, dass die Krawalle offensichtlich von Gefolgsleuten der Militärs zusätzlich provoziert wurden, um die Oppositionsführerin und ihre Parteifreunde erneut festsetzen zu können.

Am Wochenende hatte Militärsprecher Than Tun schwerwiegende Maßnahmen gegen Suu Kyis Partei angedeutet. Möglicherweise könnte die NLD sogar für illegal erklärt werden.

Die internationale Gemeinschaft zeigt sich zunehmend besorgt über die politische Lage. UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte am Samstag die „dringende Notwendigkeit einer nationalen Versöhnung“ unterstrichen. Vor allem aber dürften die Festnahmen den UN-Sondergesandten für Birma, Razali Ismail, brüskieren, der Ende der Woche in Birma eintreffen soll. Razali, dem seit Januar viermal die Einreise verweigert wurde, hatte entscheidend zu Aung San Suu Kyis Freilassung im Mai 2002 beigetragen. NICOLA GLASS

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