Bundeswehr könnte bald Kindermilizen treffen

Quer durch alle Fraktionen wird überlegt, deutsche Soldaten in den Kongo zu schicken. Die Bundesregierung hält sich mit Zusagen zurück

BERLIN taz ■ Sollen auch deutsche Soldaten im UN-Friedenseinsatz Massaker im Kongo verhindern? Die Bundesregierung hält sich bisher bedeckt: „Die Einsatztruppe hat jede Unterstützung verdient, aber wir müssen prüfen, was im Rahmen unserer Kapazitäten möglich ist“, sagte Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Dagegen mehren sich im Bundestag Stimmen, die eine deutsche Beteiligung an der multinationalen Eingreiftruppe fordern – quer durch alle Fraktionen.

Winfried Nachtwei, sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen, hält Hilfe beim Transport oder bei der Instandsetzung eines Flughafens für denkbar. „Wer im Kosovo-Konflikt das Argument des Völkermordes bringt, kann jetzt nicht lakonisch sagen, er habe keine Kapazitäten“, so Nachtwei gegenüber der taz an die Adresse des Verteidigungsministeriums. Auch die SPD-Verteidigungsexpertin Verena Wohlleben forderte in einem Interview, Deutschland dürfe sich einer Beteiligung nicht verweigern. Die Opposition kommt laut Presseberichten zu einem ähnlichen Schluss. In einem gemeinsamen Papier der Unionssprecher für Außen- und Entwicklungspolitik, Friedbert Pflüger und Christian Ruck, heißt es: Wenn die EU mit UN-Mandat eingreife, komme Deutschland nicht umhin, sich finanziell und möglicherweise auch mit Bundeswehr-Sanitätsflugzeugen zu beteiligen.

Die Debatte geht auf einen Entschluss des UNO-Sicherheitsrats vom Freitag zurück: Eine 1.400 Mann starke, multinationale Friedenstruppe unter französischer Führung soll die Bevölkerung der Demokratischen Republik Kongo schützen. Kindermilizen verfeindeter Stämme ermordeten in den vergangenen Wochen im Nordosten des Landes hunderte Menschen.

„Zum ersten Mal werden UN-Soldaten nicht militärischen Einheiten, sondern Kindern mit Kalaschnikows gegenüberstehen“, sagte gestern die grüne Parteichefin und Wehrexpertin Angelika Beer der taz. Es bestehe „dringender Handlungsbedarf“, so Beer weiter. Der UN-Einsatz sei absolut notwendig. Ein mögliches deutsches Engagement wollte sie nicht konkretisieren, mahnte jedoch eine Entscheidung „in kurzer Zeit“ an. Gegen die Beteiligung deutscher Soldaten sprach sich Rudolf Bindig aus, SPD-Sprecher für Menschenrechte. Die Bundesregierung müsse den Einsatz politisch unterstützen, doch sei die Bundeswehr massiv eingebunden. „Wir brauchen nicht in der ersten Reihe stehen, wenn es jetzt um konkrete Maßnahmen geht.“

Auch Hans-Peter Bartels, SPD-Mitglied im Verteidigungsausschuss, warnt vor allzu schnellen Versprechungen: Die Bundeswehr sei schon in neun verschiedenen Ländern im Einsatz, Logistik und Kräfte seien bereits „reichlich angespannt“.

ULRICH SCHULTE