Bauern wollen sich das Melken verkneifen

Der Milchüberschuss muss ein Ende haben, sagen die westfälischen Bauern. Sie planen sich bei Überproduktion selbst zu bestrafen, um die Preise zu retten. Der rheinische Landwirtschaftsverband will sich jedoch nicht selbst verpflichten

MÜNSTER taz ■ Die Landwirte in Westfalen-Lippe wollen ihre Milchmengen drosseln, um dem Bauernsterben entgegenzuwirken. „Wir müssen uns auch selbst verpflichten“, sagt Arnold Weßling, Vorsitzender des Milchausschusses des Westfälischen Landwirtschaftsverbandes (WLV). Es reiche nicht, Druck auf die Molkereien, den Lebensmittel-Einzelhandel und die EU zu machen.

Für die Maßregelung in den eigenen Reihen soll nach Willen des westfälischen Landwirtschaftsverbandes bis heute praktizierte „Saldierung“ aufgehoben werden. Das bedeutet: Bisher können Bauern, die die zugewiesene Quote überschreiten, ihren Überschuss mit der Unterproduktion anderer Kollegen verrechnen. Diese Hintertür soll jetzt geschlossen werden: „Jeder Landwirt, der mehr liefert, soll in Zukunft 35 Cent pro Liter Strafe zahlen“, schlägt Weßling vor. In Frankreich existiere bereits eine solche Selbstverpflichtung und die Bauernverbände in Deutschland strebten mehrheitlich eine entsprechende gesetzliche Regelung an.

Die rheinischen Bauern sehen es nicht ein, ihre Milchproduktion selbst zu regulieren: „Durch den Beitritt der neuen EU-Länder wird noch mehr Milch auf den Markt kommen“, so Franz Weyermann, Milchreferent des Rheinischen Landwirtschaftsverbands. Diese würden nämlich als stimmberechtigte Mitglieder eher eine Erweiterung als eine Beschränkung der Milchquote einfordern.

Dass weitere Faktoren für den Preisverfall verantwortlich sind, weiß auch sein westfälischer Amtskollege Weßling. Die kürzlich beschlossene Quotenerweiterung auf EU-Ebene um 1,5 Prozent sei „ein falsches Signal“. Auch die Streichung der Mindestpreise für Butter und Magermilch, der erleichterte Marktzugang für weitere Länder durch WTO-Abkommen und die fehlenden Exportmöglichkeiten durch einen erstarkten Euro führten zum Überschuss. „Wir Bauern könnten in Deutschland trotzdem mit gutem Beispiel vorangehen“, sagt Weßling.

Beide NRW-Landwirtschaftsverbände lehnen die gerade von der Bundesregierung beschlossene Umsetzung der EU-Agrarreform ab. Wenn sich die Höhe der neu eingeführten Milchprämien künftig an der bewirtschafteten Fläche orientiere, stünden zahlreiche Milchbauern vor dem Aus, befürchten die Verbände. Sie fordern daher, dass die Ausgleichszahlungen für den Preisverfall pro Betrieb ausgeschüttet werden. „Die Milchprämie kompensiert ohnehin nur die Hälfte der Verluste“, so Weyermann.

700 Landwirte hatten vergangene Woche vor der ALDI Nord-Zentrale in Essen gegen die Preispolitik der großen Lebensmittel-Ketten erfolgreich demonstriert. Aldi hat sich bereit erklärt, den Molkereien höhere Preise für Milch zahlen. Jedoch würden diese dem Konzern oft unaufgefordert billigere Angebote unterbreiten, verriet die Konzern-Spitze den Vertretern der Bauerndelegation. „Wir brauchen eine schwarze Liste für die Preis-Drücker“, fordert Weßling. Zurzeit bekommen die Bauern nur noch durchschnittlich 27 Cent pro Liter Milch, 30 bis 32 Cent kostete jedoch die Produktion. Auch gestern haben wieder 500 Landwirte in Mülheim vor der Tengelmann-Zentrale gegen den Preis-Verfall protestiert.

NATALIE WIESMANN